Das Programm
Einer der Psychologen, die die Tests durchgeführt haben, schlug Alarm deswegen. Schließlich wurde diese Strategie beendet.«
»Wissen Sie, wer diese ›Borderline-Fälle‹ waren?«
»Bei einem habe ich es später erfahren. Ein Typ, der Steve Matzley hieß, wurde einige Monate, nachdem er Bloomfield Weiss verlassen hatte, wegen Vergewaltigung verurteilt. Ich glaube nicht, dass er in Ihrem Programm war. Aber er wurde etwa zur gleichen Zeit eingestellt. Es heißt, die Psychologen hätten ihn als gefährlich eingestuft.«
»Und trotzdem wurde er genommen?«
»Genau. Er war ein hervorragender Bond-Händler. Es war ein reiner Glücksfall, dass er nicht mehr bei uns war, als er die Vergewaltigung beging.«
»Mein Gott! Und das Gerücht besagte, dass einer von uns auf dem Boot ein ähnliches psychologisches Profil hatte?«
»Genau. Nach dem Fall Steve Matzley klang das einigermaßen glaubwürdig. Die Personalakten wurden unter strengem Verschluss gehalten. Und haben Sie mir im Übrigen nicht gerade erzählt, dass es ein Unfall war?«
Chris gab ihr keine Antwort. »Kennen Sie den Namen des Psychologen, der damals Einwände gegen die Tests erhoben hat?«
»Tut mir Leid. Nach all diesen Geschichten sollten Sie George Calhoun fragen. Er könnte Ihnen mehr darüber erzählen.«
»Ist er immer noch in der Personalabteilung?«
»Er ist vor rund einem Jahr entlassen worden.«
»Ach, wie schade. Dabei war er doch so nett.«
»Und nach all dem, was er für uns getan hat«, sagte Abby grinsend.
»Wissen Sie, wie ich ihn erreichen kann?«
»Ich weiß nicht, ob er wieder eine Stellung hat«, sagte Abby. »Und falls Sie das fragen sollten, seine Privatnummer habe ich nicht.«
»Macht nichts. Ich mach ihn schon ausfindig. Danke für Ihre Hilfe.«
»Gern geschehen«, sagte Abby und griff zum Telefonhörer.
10
Chris fuhr mit dem Lift ein paar Stockwerke nach oben. Die Türen öffneten sich, und er betrat einen stillen, vornehmen Empfangsbereich. Eine junge Frau, die wie ein wandelndes Kunstwerk der Mode- und Kosmetikbranche aussah, bat Chris, Platz zu nehmen, bot ihm eine Tasse Tee an und versprach, dass Mr. Astle gleich Zeit für ihn hätte.
Gleich war natürlich übertrieben, aber Chris machte es nichts aus zu warten. Er beobachtete, wie die Leute durch eine Tür aus dickem Rauchglas kamen und gingen, wobei sie jedes Mal ihre Berechtigungsausweise einem blinkenden Auge hinhielten, das in eine graue Tafel an der Wand eingelassen war. Er musste an die polizeiliche Untersuchung nach Alex’ Tod denken.
Sie war sehr gründlich gewesen. Die ersten Fragen ließen sich rasch und mühelos beantworten. Sie hatten sich darauf geeinigt zu beschreiben, was tatsächlich passiert war, auch Duncans Streit mit Alex, aber die Schlägerei auszusparen. Nur Lenka und Duncan sollten angeben, dass sie Alex’ Sturz ins Wasser gesehen hätten, die anderen sollten sagen, sie hätten sich auf der Brücke befunden und in die andere Richtung geblickt. Doch zwei Tage nach der ersten Befragung wurden sie alle abermals verhört, diesmal von zwei Kriminalbeamten, die sich nicht so leicht abspeisen ließen. Sie schienen zu ahnen, dass an der Geschichte, die man ihnen auftischte, etwas faul war, wussten aber nicht genau, was. Einer von ihnen hatte Chris gefragt, ob es zu einem Kampf gekommen wäre, und Chris hatte erwidert, wenn ja, so hätte er ihn jedenfalls nicht gesehen. Hinterher waren die Nerven aller zum Zerreißen gespannt, aber sie waren davon überzeugt, dass sie bei ihrer Geschichte geblieben waren. Duncan schwankte und wollte die Wahrheit sagen, doch Eric und Chris überzeugten ihn davon, dass sie die Sache nach so vielen Lügen auch gleich ganz durchstehen konnten. Schließlich gab Duncan nach.
Ian, Duncan und Chris wurden aufgefordert, noch eine Woche in New York zu bleiben, um für weitere Fragen zur Verfügung zu stehen. Dadurch konnten sie an Alex’ Begräbnis teilnehmen. Sie verbrachten viel Zeit mit Lenka und Eric. Lenka und Duncan waren am Boden zerstört, weil sie sich die Schuld an Alex’ Tod gaben. Ian war mürrisch, sprach wenig und brütete meist stumm vor sich hin. Lenka betrank sich in dieser Woche zweimal sinnlos. Sie und Duncan vermieden es, ein Wort miteinander zu wechseln, und die Atmosphäre wurde jedes Mal unbehaglich, wenn sie in einem Zimmer zusammen waren.
Eric und in geringem Maße auch Chris hatten beruhigend auf die anderen eingewirkt, obwohl Eric doch mit Alex enger befreundet war als die anderen. Nach
Weitere Kostenlose Bücher