Das Prometheus Projekt
Wildenberg.“
„Oh mein Gott“, entfuhr es Sehner.
„Sie sollen sofort in die Kirche kommen. Das BKA ist auch schon dort. Ach, und ein Amerikaner wartet auf Sie.“
Sehner zog die Brauen zusammen. „Ein Amerikaner?“
„Der Mann heißt Wilson. Er tauchte gestern zusammen mit einem BKA-Beamten auf. Wilson scheint weit reichende Verbindungen zu haben. Selbst dieser Schmidtbauer vom BKA duckt sich vor ihm.“
„Woher wissen Sie das alles?“
„Die Amerikaner suchen nach vermeintlichen Terroristen. Schmidtbauerhat die Hälfte unserer Leute zu diesem Einsatz abgezogen. Die halbe Nacht habe ich mir um die Ohren geschlagen, weil Wilson meine Ortskenntnisse brauchte, wie er sich ausdrückte!“
Sehner verzog ärgerlich das Gesicht. „Wieso erfahre ich davon erst jetzt?“
Windhagen hob entschuldigend die Hände. „Irgendwann muss ich ja mal schlafen!“
„Darf dieser Amerikaner das überhaupt?“, fragte Engelmann verwundert.
Windhagen zuckte mit den Schultern. „Er macht, was er will und hat die volle Unterstützung des Bundeskriminalamtes.“
„Na und?“, rief Engelmann. „Das BKA hat uns gar nichts zu sagen!“
Sehner griff nach seiner Jacke. „Das ist nur eine Frage der Zeit. Wir sollten uns beeilen. Klapp deinen Kühlschrank zu, Walter!“
Engelmann schloss die Tür des Kühlfachs und überlegte, wie viele Fächer noch frei waren. Er hatte das kalte Gefühl im Bauch, dass sie sich in den kommenden Nächten füllen würden.
Ein paar Minuten später saß er auf dem Rücksitz von Windhagens Dienstwagen und genoss für den Augenblick die Jagd durch die Nacht. Er schmunzelte in der Dunkelheit. Das Gejaule des Martinshorns und das blitzende Blaulicht auf dem Wagendach hatten ihn schon als Kind fasziniert – und das tat es noch immer, gleichgültig, welche Schrecken ihn am Tatort erwarteten.
Dieschmucklose Kirche aus dem 19. Jahrhundert lag am Ende einer steilen Straße. Windhagen trieb den Passat den buckeligen Asphalt hinauf und stoppte dann auf dem Parkplatz unterhalb der Kirche. Er sprang aus dem Wagen und spurtete sofort die steile Treppe hinauf, die zu einem halbrunden Platz vor dem Kirchenportal führte. Sehner seufzte und nahm sich Zeit für die Stufen.
„Der hat’s aber eilig“, meinte Engelmann. Er grinste breit und wuchtete seinen Koffer aus dem Auto.
„Ich kann mich nicht erinnern, dass uns mal eine Leiche davongelaufen ist“, brummte Sehner. Er blieb auf halber Höhe der Treppe stehen.
„Lass ihn machen, Edgar“, meinte Engelmann schnaufend. „Du kannst ihm ja über die Schulter schauen, wenn es dich beruhigt.“
Der Kommissar antwortete nicht und beeilte sich, Windhagen einzuholen. Verdammt, er gehörte noch lange nicht zum Alteisen!
Das Portal in der graubraunen Bruchsteinfassade stand weit offen. Aus dem Inneren der Kirche drang gelber Lichtschein auf den Platz. Zwei Streifenwagen standen mit offenen Türen an den Seitenausgängen. Sehner stellte befriedigt fest, dass der Tatort weiträumig abgesperrt worden war. Er zählte fünf Uniformierte, und in der Kirche waren wahrscheinlich noch weitere Beamte postiert. Die komplette Dienststellenmannschaft musste anwesend sein. Windhagen jagte wild gestikulierend seine Leute in alle Richtungen.
„Der ist längst weg“, keuchte Sehner kurzatmig und drehte sich zu Engelmann um. Der schmale Schädel des Pathologen leuchteteim schräg einfallenden Licht wie der Wasserspeier einer gotischen Kathedrale. Ein schlanker Mann im Regenmantel kam die Eingangsstufen herab auf Sehner zu. „Schmidtbauer, BKA“, stellte er sich vor. „Hauptkommissar Sehner?“
Sehner nickte und schüttelte die angebotene Hand. Das rechte Lid des BKA-Mannes zuckte unentwegt, unter seinen Augen hatten sich dunkle Ringe ausgebreitet. Sehner würde jede Wette eingehen, dass der Mann kurz vor dem Zusammenbruch stand. Auf jeden Fall besaß er nicht mehr die Konzentration, die im Moment gefordert war.
„Darf ich fragen, warum Sie so schnell am Tatort sind?“, fragte er.
„Später“, antwortete Schmidtbauer. „Ich möchte Ihnen zunächst jemanden vorstellen.“
„Hat das nicht Zeit? Ich will mir so schnell wie möglich ein Bild vom Tatort machen.“
Schmidtbauer deutete ein Nicken an. „Wir gehen sofort hinein. Es dauert nur eine Sekunde.“
Sehner folgte ihm missmutig ins Innere der Kirche. In der hintersten Bank saß eine Gestalt ins Gebet vertieft. Nach vorne gebeugt, stützte er die Ellenbogen auf der Kirchenbank ab und lehnte die Stirn
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