Das Puppenzimmer - Roman
geöffnet und für hohen Besuch«, antwortete Mr. Trent und schaffte es, mich von oben herab anzusehen, obwohl er leicht gebückt ging und dabei nicht viel größer war als ich.
Jetzt hätte ich auf mein weißes Kleid pochen können, das doch allemal herrschaftlich war, aber ich wollte es mir nicht gleich mit dem Oberhaupt des Personals verscherzen. »Ich nehme auch den Dienstbotenausgang, wenn Sie so freundlich wären, ihn mir zu zeigen«, sagte ich. Es ging mir weder um die Tür noch ums Prinzip. Es ging mir nur um den Garten.
»Sie werden auch nicht den Dienstboteneingang benutzen«, erwiderte Mr. Trent, »weil Sie das Haus nicht verlassen werden.« Seine Stimme klang düster, aber er machte mir keine Angst – im Gegenteil, ich musste fast lachen, so absurd war das Ganze, als wäre ich endgültig in einem Schauerroman gelandet.
»Und wer sagt das, Mr. Molyneux etwa?« Rufus hatte mir erlaubt, mich frei zu bewegen, und frei ging nicht ohne das Freie.
»Ich handle lediglich auf Befehl«, sagte Mr. Trent und erwähnte nicht, auf wessen. »Wenn Sie wünschen, werde ich Ihnen den Weg in die Bibliothek weisen.«
Aber mir war noch nie im Leben weniger nach Bibliothek zumute gewesen als in diesem Moment. Im Haus gefangen? Da kannten sie mich schlecht. Ich würde mich nicht einfach einsperren lassen! Aber es war leichter, jetzt keinen großen Aufstand zu machen. Lieber suchte ich mir ein passendes Fenster, um hinauszuklettern. Wieder hineinkommen würde ich schon irgendwie. »Ich bitte darum.«
Vielleicht hatte Rufus Angst, dass ich die Gelegenheit nutzen und davonrennen würde, weil ich keine Lust auf die Puppen hatte oder weil er wusste, was mir in der Nacht widerfahren war? Aber als wäre nichts vorgefallen, ließ ich mich vom Butler in die Bibliothek führen. Sie lag hinter jener Tür, an der ich am Vortag fast gelauscht hätte, doch die war so dick, dass ich ohnehin nichts hätte hören können. Ich bemühte mich, nicht zu ergriffen zu sein. Im Vergleich zu dieser Bibliothek konnte Miss Smythe ihre kleine Bücherei an der Ecke zumachen – letztlich war sie nur eine alte Jungfer, die ihr Leben lang Bücher angehäuft hatte und nun etwas Geld für weitere damit verdiente, dass sie verlieh, was sie besaß. Da ihr Haus nah genug an meiner Schule lag, konnte ich mich regelmäßig dort hinschleichen. Und für sich betrachtet, war das sicherlich eine eindrucksvolle Sammlung.
Aber das hier … das war, als würde man die Kronjuwelen mit einem Glasperlenarmband vergleichen. Jetzt verstand ich, warum Rufus gemeint hatte, ich würde keine anderen Bücher mehr brauchen – aber ich wollte Rufus gerade nicht verstehen. So konzentrierte ich mich lieber auf die Fenster, die nicht so groß waren wie im nach hinten gelegenen Morgenzimmer. Es würde etwas Geschick erfordern, um von dort auf die Treppe zu springen, ohne sich dabei die Füße zu verknacksen. Aber das traute ich mir zu. Solange ich mich nicht zu schmutzig machte – das würde mich natürlich verraten –, hatte ich sogar die Chance, auf dem gleichen Weg wieder hineinzugelangen. Deutlich einfacher, als wenn ich versuchte, aus meinem eigenen Zimmerfenster zu klettern und mich über den Anbau abzuseilen. Ich wartete, bis Mr. Trent wieder gegangen war, und hörte dann tatsächlich, wie ein Schlüssel gedreht wurde – war es nicht eine einfach dumme, dumme Idee, ein Mädchen ausgerechnet in einer Bibliothek einzuschließen, statt es vorher zu fragen, ob es vielleicht noch mal austreten musste? Wirklich, Rufus konnte sich freuen, wenn ich nur aus dem Fenster kletterte!
Einen Moment lang fürchtete ich, das Fenster würde sich nicht öffnen lassen, aber es klemmte nur ein bisschen, dann schwangen mir beide Flügel entgegen, und mit ihnen die frische Gartenluft. Ich stieg auf das Fensterbrett und zögerte nicht lange. So tief war es nun auch nicht bis unten, als dass ich viel zu befürchten hatte. Mein Kleid blähte sich wie ein Segel, als ich sprang, dann landete ich weich in den Knien. Ich dachte sogar noch daran, vor meinem unsichtbaren Publikum zu knicksen, bevor ich im Garten verschwand. Würde man mich für meinen Ausbruch bestrafen? Und wie? In diesem Augenblick war es mir egal. Ich würde darauf pochen, was Rufus mir zugesagt hatte, und wenn Mr. Trent meinte, plötzlich neue Regeln aufstellen zu müssen, konnte ich nichts dafür …
Es führten Wege durch den Garten, aber ich ignorierte sie. Ich wollte das Gras unter den Füßen spüren, den Wind in der Nase
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