Das Rachespiel: Psychothriller (German Edition)
fertigmachen.«
»Ja, aber …« Jens’ dünne Stimme klang nervös. »Aber das werden wir doch nicht tun.« Als niemand antwortete, wiederholte er unsicher: »Das werden wir doch nicht?«
»Niemand macht hier irgendwen fertig«, sagte Frank, und er merkte, dass es weniger überzeugend klang als beabsichtigt. Er dachte an die Fotos, die jemand in seinem Haus gemacht hatte. An Beate und Laura.
Er dachte daran, was in dieser Nacht geschehen würde, später, wenn die ersten Aufgaben vorbei waren und einer von ihnen noch keinen Punkt hatte. Oder nur einen. Sein Körper begann in Schüben zu zittern. Er wusste nicht, ob es von der Kälte im Bunker kam oder von der eisernen Faust, die sein Herz umschlossen hielt.
Eine Ratte huschte dicht an seinem linken Fuß vorbei und trippelte an der Wand entlang. Er sah ihr nur nach, bis ihre Silhouette sich am Ende des Ganges mit der Dunkelheit vermischte. Ein Gedanke drängte sich ihm auf, der offensichtlich war, auf den aber entweder außer ihm noch niemand gekommen war oder den keiner auszusprechen wagte.
»Euch ist klar, dass wir wahrscheinlich nicht allein hier drinnen sind, oder?«
Manuela und Jens war das bis zu diesem Moment offenbar nicht klar gewesen, denn Manuela riss die Augen auf und sagte: »Du meinst, der Kerl … Gott, daran habe ich noch gar nicht gedacht.« Jens hingegen schüttelte energisch den Kopf. »Nein. Nein, das glaube ich nicht. Wenn es nur einer ist … Warum sollte er das Risiko eingehen?«
»Zum Beispiel weil er einen Beamer bedienen und Ratten freilassen musste«, erklärte Frank.
»Und weil er eine Katze aufknüpfen wollte«, ergänzte Torsten, woraufhin Manuela zusammenzuckte.
»Es kann natürlich sein, dass er sich nicht die ganze Zeit über hier drinnen aufhält«, dachte Frank laut nach. »Es ist sogar sehr wahrscheinlich, dass er nur kurz auftaucht, wenn er etwas zu erledigen hat, und dann gleich wieder verschwindet.«
»Also gehen wir zurück zum Eingang und warten auf ihn«, schlug Torsten vor. »Wenn er reinkommt, gibt’s was auf die Murmel. Und in der Zwischenzeit versuchen wir, die Tür irgendwie zu öffnen.«
»Aber was ist, wenn er noch da ist und die Ratten wieder freilässt, sobald wir hier weg sind?«, fragte Manuela ängstlich.
Frank hob die Schultern. »Das Risiko müssen wir eingehen. Ich denke, Torsten hat recht. Wir können nicht ewig hier im Flur stehen bleiben und diesen Raum bewachen. Außerdem glaube ich, die Ratten würden sich sowieso in der ganzen Anlage verteilen, dann ist es nicht mehr so schlimm.«
Er dachte sich, dass Manuela das ganz anders sah, wollte aber nicht weiter darüber diskutieren.
Mit einem Ruck stieß er sich von der Tür ab und machte sich auf den Weg durch den grün schimmernden Flur.
»Ich bin mir sicher, dass Festus zurück ist und sich an uns rächt«, sagte Torsten, als sie den Raum vor dem Ausgang gerade erreicht hatten.
»Nun hör schon auf mit dem Blödsinn«, fuhr Frank ihn an. »Er ist tot.«
Torsten baute sich vor ihm auf und stemmte die Hände in die Seiten, was ihn in dem schwachen grünen Schein wie einen unförmigen Klumpen aussehen ließ. Seinen Gesichtsausdruck konnte Frank nicht erkennen.
»Das kannst du nicht wissen, verdammt nochmal. Und wenn du damals nicht darauf gedrängt hättest abzuhauen, hätten wir ihm sogar helfen können, und die ganze Scheiße hier würde gar nicht stattfinden.«
Frank blieb für einen Moment der Atem weg angesichts der Ungeheuerlichkeit, die Torsten gerade ausgesprochen hatte.
»Was?«, blaffte er, nachdem er wieder reden konnte. »Ich soll schuld gewesen sein? Spinnst du? Du warst doch derjenige, der die Idee überhaupt erst hatte. Und der das unbedingt durchziehen wollte, obwohl wir alle dagegen waren. Oder etwa nicht?« Und nach einer Sekunde wiederholte er: »Oder etwa nicht?«
»Ja und? Aber du …«
»Hört auf zu streiten!«, schrie Manuela plötzlich hysterisch auf. »Verdammt. Wir sind hier eingeschlossen, mein Kater ist erhängt worden, der Kerl war in meinem Haus und hat gedroht, mein Kind umzubringen. Und ihr streitet euch darum, wer vor 30 Jahren was gesagt oder getan hat. Seid ihr noch bei Trost?« Ihr Atem ging schnell, sie begann zu schluchzen. »Ich will hier raus. Zu meinem Sohn. Ich … ich habe Angst.«
Niemand sagte etwas, bis Frank schließlich tief durchatmete und sich räusperte. »Okay, versuchen wir, diese Tür zu öffnen.«
Sie schafften es nicht.
Die Schleusentür war keinen Millimeter zu bewegen.
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