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Das Rad der Zeit 1. Das Original

Das Rad der Zeit 1. Das Original

Titel: Das Rad der Zeit 1. Das Original Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Robert Jordan
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weggerannt, als geöffnete Augen ihn anstarrten. Er brauchte
eine Weile, bis ihm klar wurde, dass die Augen glasig und tot waren. Er wischte
sich die Hände an einem zerrissenen Lumpen ab – am Morgen war er noch eins von
Tams Hemden gewesen – und zog die Klinge heraus. Er reinigte das Schwert und
ließ den Lumpen zögernd fallen. Er hatte keine Zeit, Ordnung zu halten, dachte
er und musste unwillkürlich lachen. Schnell biss er die Zähne zusammen. Kein Laut! Er hatte keine
Ahnung, wie sie das Haus jemals wieder so sauber bekommen sollten, dass sie
darin wohnen konnten. Der schreckliche Gestank hatte sich vielleicht schon in
den Balken festgesetzt. Keine Zeit für Sauberkeit.
Vielleicht auch keine Zeit mehr für irgendetwas …
    Er war sicher, dass er vieles vergessen
würde, was sie brauchten, aber Tam wartete, und die Trollocs kamen sicherlich
zurück. Er rannte herum und suchte schnell zusammen, was ihm gerade einfiel.
Decken aus dem Schlafzimmer und saubere Tücher, um Tams Wunde zu verbinden.
Umhänge und Mäntel. Einen Wassersack, den er immer mitnahm, wenn er die Schafe
auf die Weide trieb. Ein sauberes Hemd. Er wusste nicht, wann er die Zeit
finden würde, sich umzuziehen, aber er wollte bei der ersten Gelegenheit das
blutverschmierte Hemd ausziehen. Die kleinen Beutel mit Weidenrinde und die
anderen Medikamente waren Teil eines dunklen schlammverschmierten Bündels, das
er kaum zu berühren wagte.
    Ein Eimer Wasser, den Tam hereingebracht
hatte, stand immer noch am Kamin, wie durch ein Wunder unversehrt und voll. Daraus
füllte er den Wassersack, und im Rest wusch er sich hastig die Hände. Noch
einmal lief er durchs Haus, um mitzunehmen, was er übersehen hatte. In den
Trümmern fand er seinen Bogen. Er war am stärksten Punkt sauber auseinander
gebrochen worden. Er schauderte, als er die Bruchstücke fallen ließ. Was er
jetzt hatte, musste ausreichen. Schnell legte er alles vor der Tür auf einen
Stapel.
    Bevor er das Haus verließ, zog er aus dem
Durcheinander auf dem Boden eine Sturmlaterne heraus. Sie enthielt immer noch
Öl. Er zündete sie mit einer der Kerzen an und eilte, die Laterne in einer Hand
und das Schwert in der anderen, nach draußen. Er wusste nicht, was er in der
Scheune vorfinden würde. Der Schafpferch ließ nichts Gutes erwarten. Aber er
brauchte den Karren, um Tam nach Emondsfelde zu bringen, und für den Karren
brauchte er Bela. Die Notwendigkeit erweckte ein wenig Hoffnung in ihm.
    Das Scheunentor stand offen. Ein Flügel
knarrte in den Angeln, als der Wind ihn bewegte. Innen sah alles zunächst aus
wie immer. Dann fiel sein Blick auf leere Boxen. Die Türen waren aus den Angeln
gerissen. Bela und die Kuh waren fort. Schnell lief er in den hinteren Teil der
Scheune. Der Karren lag auf der Seite. Die Hälfte der Speichen waren aus den
Rädern gebrochen. Eine Achse war nur noch ein Stumpf von einem Fuß Länge.
    Die Verzweiflung, die er bis jetzt
zurückgehalten hatte, packte ihn nun mit Gewalt. Er glaubte nicht, dass er Tam
bis zum Dorf tragen konnte, wenn Tam dies überhaupt aushalten würde. Der
Schmerz brachte ihn vielleicht noch schneller um als das Fieber. Aber es war
die einzig verbleibende Möglichkeit. Hier hatte er alles getan, was er tun
konnte. Als er sich zum Gehen wandte, fiel sein Blick auf den abgehackten Teil
der Achse, der auf dem Stroh lag. Plötzlich lächelte er.
    Hastig stellte er die Laterne auf den
strohbedeckten Boden und legte das Schwert daneben. Im nächsten Moment plagte
er sich mit dem Karren ab, kippte ihn nach hinten, damit er aufrecht stand,
wenn auch weitere Speichen brachen, und stemmte sich dann mit der Schulter
dagegen, um ihn in die richtige Lage zu bringen. Die unbeschädigte Achse ragte
gerade heraus. Er schnappte sich das Schwert und hackte auf das gut abgelagerte
Eschenholz ein. Zu seiner Überraschung flogen dicke Späne unter den Hieben
davon, und er konnte es genauso schnell wie mit einer Axt spalten. Als die
Achse befreit war, blickte er die Klinge bewundernd an. Selbst die schärfste
Axt wäre stumpf geworden, hätte man mit ihr dieses harte alte Holz bearbeitet,
aber das Schwert wirkte genauso strahlend scharf wie vorher. Er berührte die
Schneide mit dem Daumen und steckte ihn dann ganz schnell in den Mund. Die
Klinge war tatsächlich immer noch so scharf wie ein Rasiermesser.
    Aber er hatte keine Zeit zum Staunen.

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