Das Rätsel der Rückkehr - Roman
hat lange Zeit in New York gelebt, bevor er nach Haiti zurückkehrte. Er machte nur einen kurzen Halt in Port-au-Prince, um ein paar Freunde zu umarmen, dann fuhr er weiter zu einer kleinen, am Ende einer Bananenpflanzung stehenden Hütte. Dieses fast fromme Bild hatte seine Einsamkeit in New York erhellt. Eines Morgens erwachte er schweißgebadet mit dem Gefühl, dies sei sein letzter Tag in der kalten und harten Stadt. Er war sicher, ihm würde die Luft ausgehen, wenn er nicht am gleichen Tag nach Haiti zurückkehrte. Er nahm nur seinen Reisepass, leerte sein Konto bei der Chase Manhattan Bank und nahm ein letztes Taxi zum Kennedy-Flughafen. Noch an demselben Abend saß er in einem kleinen Café in Pétionville, zusammen mit den Übriggebliebenen der Gruppe von Malern und Dichtern, die wie er Anfang der Sechziger Jahre davon träumten, die Welt zu verändern. Seine Reise endete erst bei der Hütte, die ihn während all der Jahre der Depression in New York am Leben hielt. Auf dem Foto in der Zeitschrift sieht man den Maler Lazarre, mit nacktem Oberkörper, unter einem Bananenbaum sitzen, und ganz hinten eine kleine strohgedeckte Hütte mit blauen Fenstern.
Seit einer Weile sehen wir nichts mehr.
Ein Laster wirbelt weißen Staub
vor uns auf.
Eine lange Litanei Laster
voller Sand fährt hinter uns.
Lautes, drängendes Hupen.
Wir schließen die Scheiben, um nicht zu viel
von dem lästigen Staub zu schlucken.
Nach einigen Stunden Fahrt mussten wir am Straßenrand halten. Rauch stieg unter der Haube auf. Der Chauffeur ging mit einem leeren Kanister, bei einem Bauern Wasser holen, der am Hang dieses kahlen Berges lebt. Das in dieser trockenen Gegend so kostbare Wasser wurde uns angeboten, bevor der Chauffeur darum bat. Der Bauer war auch bereit, mit seiner Familie herunterzukommen, um uns beim Anschieben des Wagens zu helfen. Der Chauffeur verbrachte den ganzen Abend damit, den Motor von jedem Staubkorn zu reinigen. Es wurde Nacht. Der Mann bot uns Unterkunft an. Wir stiegen den Hang hinauf, uns bei den Händen haltend, um uns in der Dunkelheit nicht zu verlieren.
Das Haus, in dem wir schliefen,
hatte kein Dach.
Ich ging die ganze Nacht auf der Milchstraße spazieren.
Und ich glaubte, meine Großmutter zu erkennen
in jenem verschwiegenen Stern,
den ich zum ersten Mal entdeckte,
nicht weit vom Großen Bären.
Ein Fenster mit Blick auf das Meer
Kahle Berge zur Rechten.
Riesenkakteen links.
Die Teerstraße
in der Ferne
wie ein stiller See.
Die Laster, mit denen man einst
Vieh zum Schlachthof transportierte,
nimmt man heute für Menschen,
die stehend reisen,
den Kopf staubbedeckt
und den Mund voller Mücken.
Wir nähern uns den berühmten Klippen
die mir als Kind
die schlimmsten Alpträume
bescherten.
Die Wirklichkeit ist viel bescheidener.
In der Kurve lautes Hupen
eines roten Lasters aus der Gegenrichtung,
und die kindliche Angst kommt wieder hoch.
Man könnte sich fragen, ob die Nationalstraßen nicht Einbahnstraßen sind, denn die Bauern, die nach Port-au-Prince fahren, kehren auf ihr nie mehr zurück. Zunächst vom Zentrum der Hauptstadt angezogen, werden sie sogleich in die bereits überfüllten Vorstädte abgedrängt. Ohne wenigstens eine blanke Waffe ist es dort unmöglich, zu überleben.
Über eine gewisse Zahl hinaus
hat das Leben der Menschen nicht den gleichen Wert.
Man nimmt sie als Kanonenfutter
oder Handlanger.
Manche finden ihren Weg,
ohne sich zu sehr zu beschmutzen
zwischen der allgemeinen Korruption
und dem täglichen Mord.
Wir gelangen recht spät nach Ville-Bonheur,
wo zwei Jungfrauen regieren.
Die christliche heißt
Maria von der Unbefleckten Empfängnis.
Ihre im Voodoo-Pantheon thronende Zwillingsschwester
Erzulie Fréda Dahomey.
Die Jungfrauen haben Durst.
Die eine nach Blut
nach Sperma die andere.
Der Chauffeur besucht sie beide.
Am Ende der Straße
fanden wir ein kleines
wackliges Hotel,
wo wir zu Abend essen konnten.
Die Wanzen erwarteten uns im Bett.
Wie der Dame verständlich machen,
die sich rühmt, in New York gewesen zu sein,
was wir wollen, ist frisch gepresster Saft.
und nicht warme Cola.
In ihren Augen sind die heimischen Früchte
gut nur für Arme und Schweine.
Der junge Mann, der uns so
erschreckte mit seinen Narben
im Gesicht, erwies sich als sehr freundlich.
Die Wunden wurden ihm zugefügt
von einem in seinem Feld versteckten Dieb.
Wie es so häufig geschieht,
verwechselten wir Opfer und Täter.
Alles ist ein
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