Das Rätsel der Templer - Roman
Kleiderbündel und ein paar ausgetretene Stiefel entgegen, die Amelie ihm übergab. Dann ging er
zu Gislingham und drückte ihm alles in die Hand.
»Zieh das an!«, befahl er dem verblüfften Bruder.
|88| Voll Groll nahm Bruder Guy die unverhoffte Gabe entgegen. Ein abfälliges Grunzen verriet seinen Missmut. Spätestens wenn es
hell wurde, würde er dem Spott aller preisgegeben sein.
»Wir haben dir ein Pferd mitgebracht«, sagte Struan, als Amelie, nachdem sie die Tür verschlossen hatte, sich anschickte,
zum Stall zu gehen.
Das Mädchen blieb stehen, blies das Öllicht aus und stellte es auf den Boden.
»Woher wusstest du, dass ich mitkommen würde?«
Struan konnte hören, wie sie lächelte. »Ich wusste es nicht«, sagte er verhalten. »Aber ich habe dafür zur heiligen Jungfrau
gebetet.«
»O Struan«, wisperte sie, »ich liebe dich.«
»Ich dich auch«, raunte er ihr zu. »Du ahnst nicht, wie sehr.« Sachte fasste er ihre Hand und berührte ihre Finger mit seinen
Lippen, bevor er sie zu seinem Pferd führte. »Solange es noch dunkel ist, reitest du zur Sicherheit mit mir.«
»Gero«, flüsterte Johan und stieß seinen Kameraden an, dessen Pferd dicht neben seinem stand. »Was hat Struan mit dieser Frau
zu schaffen?«
»Das ist eine verdammt lange Geschichte. Er soll sie dir selbst erzählen, wenn du erlaubst«, entgegnete Gero, in der Hoffnung,
dass Johan sich damit zufrieden geben würde.
»Hab ich doch gewusst, dass ich mit meinen Vermutungen richtig liege«, zischte jemand aus dem Hintergrund.
Gero drehte sich abrupt um. »Gislingham, halt dein vorlautes Mundwerk«, fauchte er, »sonst verkaufe ich dich auf dem nächsten
Markt als unfreien Knecht.«
Ein unverständliches Brummen folgte, dann herrschte Schweigen.
In stummem Einverständnis führte ihr Weg durch die mondhelle Nacht. Sie bemühten sich, kein Aufsehen zu erregen. Gero betete
darum, dass die Schergen Philipp des IV. wenigstens einen letzten Rest Respekt zeigten und die verschleppten Brüder behandelten,
wie es unter Christenmenschen üblich war. Obwohl er nach den letzten Ausführungen von Guy de Gislingham nicht davon ausgehen
konnte, dass man mit den Gefangenen zimperlich umging. Zwischen Templern und königlichen Soldaten bestand eine alte Feindschaft,
die sich schon oft beim zufälligen Aufeinandertreffen entladen hatte. Wie sehr musste es für die gegnerische Seite Genugtuung
sein, die einst so stolzen |89| Templer in Ketten abführen zu können! Eine kalte Angst nahm von seinem ansonsten unerschrockenen Herzen Besitz. Was wäre,
wenn König Philipp sogar das Sterben der Brüder in Kauf nehmen würde, um seine Interessen durchzusetzen?
Mittlerweile hatten sie die Ausfallstraße nach St. Dizier erreicht.
Johan ritt an Geros Seite. »Was hast du vor?«, flüsterte er. »Weißt du überhaupt, wo wir hin müssen?«
»Erst mal nach Osten, Richtung Marne. Bei St. Dizier werden wir den Fluss überqueren und dann weiter bis nach St. Mihiel.
Dort gehen wir über die Meuse und sind wenig später in den deutschen Landen und – so Gott will – erst einmal in Sicherheit.«
Gero zügelte seinen Hengst und verlangsamte das Tempo.
»Wie kommst du darauf, dass König Philipp uns nicht bis über die Grenze hinaus verfolgen wird?« fragte Johan.
»Ich vermute es«, entgegnete Gero und verschwieg, dass d’Our es ihm zugesagt hatte. »Erstens fehlt es ihm dafür an Soldaten,
und zweitens vermag ich mir nicht vorzustellen, dass andere christliche Herrscher sich einer solchen Teufelei anschließen.«
»Und was machen wir, wenn wir in den deutschen Landen angelangt sind?«
In Johans Stimme lag Verwunderung.
»Wir reiten zu mir nach Hause«, antwortete Gero geradeso, als ob ihre Flucht von langer Hand geplant gewesen wäre. »Mein Vater
ist ein langjähriger Freund des Ordens. Selbst wenn er ansonsten ein rechtes Scheusal ist, kann er uns zu Geleitbriefen verhelfen,
die uns eine problemlose Weiterreise ermöglichen. Außerdem hat er viele Verbindungen, so dass wir uns einen Überblick verschaffen
können, wie es um den Orden an Rhein und Mosel und in den übrigen deutschen Landen bestellt ist. König Philipp hat im Westen
des deutschen Reiches einige Verbündete. Obwohl er dort wahrscheinlich nicht die gewünschte Unterstützung erhält, müssen wir
vorsichtig sein.«
Gero vergewisserte sich, dass Guy de Gislingham sich nicht in unmittelbarer Nähe befand, erst danach fuhr er so leise fort,
dass
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