Das Rätsel der Templer - Roman
gab es einen Bach. Die Truppe folgte unaufgefordert.
Bevor sie das Feld überquerten, stoppte Gero seinen Hengst. Angestrengt spähte er in die Ferne. Zwei Rehe, die unter den gegenüberliegenden
Bäumen seelenruhig grasten, brachten ihn zu der Annahme, dass sie die einzigen menschlichen Wesen weit und breit sein mussten,
ansonsten würden die Tiere nicht so gelassen sein.
»Die Luft ist rein«, sagte er leise und gab seinen Begleitern mit einem Wink zu verstehen, dass sie ihm gefahrlos folgen konnten.
Ein paar Krähen flogen auf, und die Rehe setzten zur Flucht an. Kurz bevor die Truppe den gegenüberliegenden Waldrand erreichte,
brach unter lautem Gejohle ein regelrechter Sturm los. Mehrere Reiter stießen aus dem Dickicht hervor.
»Mattes, bleib in Gottes Namen bei mir!«, brüllte Gero seinem Knappen zu. »Egal, was geschieht!«
Matthäus hatte keine Zeit zu antworten. Instinktiv trat er dem gewaltigen Flamländer in die Seite. Das Tier bäumte sich auf
und preschte in seinem Herdentrieb hinter Atlas her, der mit seinem Reiter in nördliche Richtung davon stob.
Struan war mit Amelie in den Wald ausgewichen und nach kurzer Zeit, verfolgt von zwei Reitersoldaten des franzischen Königs,
im dichten Gestrüpp verschwunden.
Johan hingegen hatte die Flucht übers freie Feld angetreten. Die Hufe seines Streitrosses ließen den Boden erbeben, als es
in vollem Galopp regelrecht dahinflog. Mit geducktem Kopf wagte er einen Blick zurück. Es waren eindeutig königliche Soldaten.
Alleine ihm klebten drei Verfolger an den Hufen. Ihre Pferde waren unglaublich schnell, so dass sie zusehends näher herankamen.
Vor ihnen mündete das Hochplateau in ein abschüssiges, bewaldetes Tal. Johan schnalzte mit der Zunge und malträtierte unbarmherzig
die Flanken seines Hengstes, um das Letzte aus ihm herauszuholen.
Endlich erreichte er die ersten Bäume. Ein Waldpfad führte durch lichte Buchenhaine und felsige Abgründe. Erbarmungslos trieb
er seinen steingrauen Jütländer voran. Dabei war ihm bewusst, dass er jede Menge |138| Spuren im weichen Untergrund hinterließ und dass es früher oder später zu einer Konfrontation mit den Soldaten kommen musste.
Plötzlich bemerkte er zwischen den Bäumen eine schnelle Bewegung.
Mit gezogenem Schwert näherte er sich der Stelle. Zwischen zwei Tannen sah er eine schmale weibliche Gestalt, die einer Erscheinung
gleich aus dem weichen Waldboden ragte. Sie war höchstens zwanzig. Regungslos starrte sie ihn mit großen, sanften Augen an.
Ihr grünbrauner, bodenlanger Wollsurcot verschmolz mit den Farben des Waldes, und in ihrem rostroten Haar, das wie ein herbstlicher
Blätterregen den Nacken hinabflutete, entzündeten die letzten Strahlen der Nachmittagssonne sprühende Funken. In der einen
Hand trug sie einen Weidenkorb, gefüllt mit allerlei Pilzen, und in der anderen Hand einen Wanderstab, an dessen Ende eine
kleine Schaufel befestigt war.
Als Johan sah, wie die schöne junge Frau ihren Mund zu einem Schrei öffnete, straffte er die Zügel seines Jütländers so hart,
dass das Tier gleich darauf zwei Schritte rückwärts ging. In einer beschwörenden Geste legte er den rechten Zeigefinger auf
seine Lippen, während er versuchte, seinem Blick etwas Flehendes zu verleihen. Das Mädchen sah ihn unterdessen genauso entsetzt
an, wie alle Menschen es taten, die zum ersten Mal mit seinen entstellten Gesichtszügen konfrontiert wurden. Erleichtert darüber,
dass sie stumm geblieben war, steckte Johan sein Schwert in die Scheide, ohne sie aus den Augen zu lassen, und trieb seinen
Hengst mit den Fersen voran.
Im Vorbeireiten umfasste er blitzschnell mit einem Arm ihre Taille und hob sie auf sein Pferd.
Den Korb immer noch umklammert, ließ sie den Wanderstab fallen, während sie vor Johan auf dem breiten, speziell angefertigten
Sattel der Templer zu sitzen kam. Sie schien tatsächlich stumm zu sein, denn kein Wort des Protestes drang über ihre Lippen.
»Sch…«, beruhigte er sie mit seiner dunklen Stimme. »Habt keine Angst! Von mir braucht Ihr kein Leid zu fürchten!« Wie um
seine Worte zu bestätigen, verstärkte er den Druck auf ihre Taille. »Könnt Ihr mich verstehen?«
Ein zaghaftes Nicken bestätigte ihm, dass der Allmächtige sie nicht auch noch mit Taubheit geschlagen hatte. »Habt Ihr eine
Ahnung, wo |139| man sich hier verstecken kann?«, flüsterte er, wobei sein Mund beinahe ihr Ohr berührte.
»Da entlang«, sagte sie so laut
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