Das Rätsel der Templer - Roman
vorüber.
»Wir flüchteten nach Zypern«, fuhr er tonlos fort. »Und hier verriet mir d’Our, dass er ein Mitglied des Hohen Rates der Templer
sei und für den Schutz eines uralten Artefaktes verantwortlich zeichne, dem man den klingenden Namen ›Haupt der Weisheit‹
gegeben habe. Es beinhaltete eine Art Prophezeiung, ähnlich der Apokalypse des heiligen Johannes. Nur dass die darin enthaltenen
Weissagungen nicht ausschließlich schlechter Natur waren, sondern den Reichtum des Ordens in unermesslicher Weise gefördert
hatten. Schließlich durfte ich d’Our ins südliche Franzien begleiten, wo wir ein geheimes Depot aufsuchten, um das gesiegelte
Buch zu verstecken, welches wir aus Akko gerettet hatten und das streng geheime Aufzeichnungen über das Wesen des eigentlichen
›Hauptes der Weisheit‹ enthielt. Dabei erfuhr ich, dass es sich bei dem Haupt um einen mysteriösen, metallischen Gegenstand
handelte, den Bertrand de Blanchefort, der vierte |195| Großmeister Eures Ordens, im Jahre des Herrn 1156 vom heiligen Land in eben jenes Depot nach Franzien hatte bringen lassen.
Zu meinem großen Erstaunen erfuhr ich darüber hinaus, dass dieses Depot bereits mit Wissen des heiligen Bernhard von Clairvaux
und mit der Hilfe von Konversen in einer deutschen Zisterzienserabtei eingerichtet worden war.«
Richard von Breydenbach stockte einen Moment, als müsse er sich erneut sammeln, dabei nahm er einen Schluck Wein, bevor er
weiter sprach.
»D’Our wusste, dass ich vertrauenswürdig genug und den hiesigen Zisterziensern immer eng verbunden war, und er beabsichtigte,
mich fortan als eine Art Mittler zwischen Templern und Zisterziensern einzusetzen, obschon ich keinem der beiden Orden angehöre.
Ein Grund, warum ich ab und an in Bar-sur-Aube weilte, um hinterher geheime Botendienste zu erledigen. Dazu muss man wissen,
dass das ›Haupt der Weisheit‹ unter größter Geheimhaltung im Jahre des Herrn 1206 von den Katakomben in Franzien zu den Zisterziensern
nach Heisterbach verlegt worden war. Man wollte so eine größere Sicherheit vor unbefugtem Zugriff garantieren. In der dortigen
Abtei gab es einen ständigen Vertreter, der im Auftrag des Hohen Rates der Templer fortan – neben dem jeweiligen Abt – für
die sichere Verwahrung des Hauptes verantwortlich zeichnete. Zum damaligen Zeitpunkt war das Bruder Cäsarius, der Prior von
Heisterbach, falls Euch der Name etwas sagt.«
Struan nickte stumm. Er hatte viel von den wundersamen Geschichten des Cäsarius gehört. Unter anderem hatte sich der weise
Zisterzienser auffällig mit dem Phänomen der Zeit beschäftigt und düstere Prophezeiungen über die Zukunft verkündet, die er
in nächtlichen Visionen gesehen hatte.
»Vergebt mir Sire, wenn ich Euch unterbreche«, sagte Struan. »Habt Ihr das ›Haupt‹ je zu sehen bekommen?«
»Ja und nein«, sagte Richard mit einem gewissen Bedauern in der Stimme. »Es ist tatsächlich eine flache, metallische Kiste.
So leicht, dass man sie mit einer Hand tragen kann. Nichts daran ist auffällig, und es sieht schon gar nicht aus wie ein Kopf.
Aber man versicherte mir, es habe magische Kräfte von unvorstellbarem Ausmaß und seine |196| Weisheit diene dem Orden vom Beginn seiner Existenz an. Manche munkelten sogar, es könne einen Durchgang zu einer anderen
Zeit schaffen. Doch d’Ours Vertrauen in mich ging nicht weit genug, als dass er mich vollständig eingeweiht hätte.«
»Das klingt unglaublich«, gab Struan unumwunden zu. »Weiß Gero darum?«
»Wo denkt Ihr hin?« erwiderte Richard mit einem Lächeln. »Ich habe einen Eid zur Verschwiegenheit geleistet. Niemand aus meiner
Familie weiß etwas darüber.«
»Bei allem Respekt, Sire, was könnte das Ganze mit Geros Verschwinden zu tun haben?«
Richard von Breydenbach setzte sich seufzend auf und starrte dabei in die unruhige Flamme der dicken Stundenkerze, die bereits
ein ganzes Stück heruntergebrannt war. »Seit jenen Tagen weiß ich, dass es Dinge zwischen Himmel und Erde gibt, die eigentlich
nur dem Willen des Allmächtigen unterstehen sollten, und doch werden sie von Menschenhand gelenkt«, erklärte er. »Ihr müsst
wissen, dass im Saalholzforst schon einmal ein Bruder spurlos verschwunden ist. Vor gut einhundert Jahren. Der Wald gehört
den Hemmenroder Zisterziensern, die mit dem Heisterbacher Konvent eng verbunden sind. Der damals verschwundene Bruder, Thomas
von Hemmenrode, war ein Vertrauter des Cäsarius
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