Das Rätsel der Templer - Roman
wissen Sie gut genug, wie heikel die politische Lage zurzeit ist. Selbst wenn ich den nicht
unerheblichen Aspekt meines Ruhmes außer Acht lasse, bis der Präsident und seine Spürhunde von der NSA die Sache auf Herz
und Nieren geprüft hätten, ob kein Sabotageakt dahinter steckt und ob unser Freund kein Berater eines islamischen Topterroristen
ist, wären wir beide alt und grau.«
Der Professor nahm einen Schluck Mineralwasser und spülte damit seinen Gaumen, als ob es sich um einen wertvollen Weinbrand
handelte.
Nachdem er geschluckt hatte, sah er Piglet mit einem Gesichtsausdruck an, der keinen Widerspruch duldete. »Also, Piglet, Sie
werden aus organisatorischen Gründen und ohne mein offizielles Zutun kurzfristig die Einsatzpläne der wissenschaftlichen Assistenten
für den kommenden Samstag ändern und Stevendahl und Colbach zum Dienst einteilen. Wenn etwas schief gehen sollte, schieben
wir es den beiden in die Schuhe.«
Piglet war anzusehen, wie er mit seinem Gewissen kämpfte. »Eins wüsste ich noch gerne«, erklärte er. »Warum verheizen Sie
mit Stevendahl und Colbach Ihre besten Leute für dieses Wagnis? Es würde deren Ausschluss aus dem Projekt bedeuten, wenn der
Generalstab zur |207| Auffassung gelangt, dass auch nur einer von beiden unerlaubt die Rechner umprogrammiert hat.«
»Nun …«, antwortete Hagen zögernd, »ich würde die beiden ungern verlieren, aber sie sind die einzigen, die fachlich in der
Lage sind, eine solche Veränderung im Systemablauf zu bewerkstelligen – außer meiner Wenigkeit natürlich.«
Er warf Piglet einen Blick zu, der unterstrich, dass es ihm völlig gleichgültig war, mit seiner riskanten Aktion die Karriere
von zwei jungen aufstrebenden Genies aufs Spiel zu setzen. Schließlich agierte er ohne entsprechende Genehmigung, und egal
wie die Sache ausging, er würde das Bezahlen der Rechnung anderen überlassen. Und dass dieser Höllentrip eine Untersuchung
nach sich ziehen würde, verstand sich von selbst. Dabei war er genial genug, die Sache so einzufädeln, dass niemand den eigentlichen
Weg seiner Einflussnahme verfolgen konnte.
Piglet, der die Suche nach einem Gewissen in Hagens Persönlichkeit längst aufgegeben hatte, interessierte noch etwas anderes.
»Gesetzt den Fall, Sie haben recht und der von Ihnen erwartete Mann erscheint auf unserem Forschungsfeld. Wie soll es dann
weitergehen?«
»Na wie schon?«, polterte Hagen ungeduldig. »Unser Sicherheitspersonal wird ihn festnehmen, und die NSA wird ihn in einer
Isolierzelle ausquetschen wie eine Zitrone. Wie der Präsident und seine Geheimdienste danach mit ihm verfahren, hat mich nicht
weiter zu interessieren. Wenn alles so kommt, wie ich es mir vorstelle, werde ich die nächsten Wochen und Monate damit beschäftigt
sein, die Anlage auf Vordermann zu bringen, damit sie fit wird für die Zukunft. Oder sollte ich besser sagen – für die Vergangenheit?«
»Spricht der Transferierte überhaupt unsere Sprache?« Piglet rückte sich nervös die Brille zurecht. Sämtliche Einwände, die
ihm in den Sinn kamen, muteten an wie Strohhalme, an die er sich über einem gähnenden Abgrund zu klammern versuchte.
»Ich bitte Sie, Piglet. Haben Sie vergessen, wo Sie sich befinden? Wir entschlüsseln die kompliziertesten, genetischen Codes
und verfügen über Dateien mit Sprachmustern, in denen sogar Klingonisch nicht fehlt. Denken Sie ernsthaft, ich hätte ein Problem
mit Mittelhochdeutsch oder Altfranzösisch?«
|208| »Und was ist, wenn Sie nur eine große Portion Hackfleisch transferieren? Zufällig habe ich erfahren, dass so etwas möglich
ist, und neben der Tatsache, dass nicht bekannt ist, ob sich das Raumzeitkontinuum ändert, gehört dieses Risiko zu den Gründen,
warum man vorerst von solchen Versuchen Abstand nimmt.«
»Schon mal was von ausgesprochenem Pech gehört?« Hagen schüttelte verärgert den Kopf. »Wenn der Kerl sich versehentlich in
seine organischen Einzelteile auflöst, merkt er sowieso nichts mehr davon. Die einzigen, die sich ärgern dürfen, sind die
Leute vom Reinigungsteam.« Hagen schlug aufgebracht auf die Kante seines Schreibtisches. »Ich werde euch Amis nie begreifen.
Da schlachtet ihr Tausende von Irakern ab, wo nichts und wider nichts bei herumkommt, und regt euch über den vermeintlichen
Tod eines Zeitreisenden auf, von dessen Ableben nie jemand etwas erfährt und dessen sterbliche Überreste wenigstens noch der
Wissenschaft
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