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Das Rätsel Sigma

Das Rätsel Sigma

Titel: Das Rätsel Sigma Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Karl-Heinz Tuschel
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lassen, mußte er wohl begraben – ein Tag war fast schon um, und er wußte noch nicht einmal, worin diese Aufgabe eigentlich bestand. Es war nicht seine Art, vor Schwierigkeiten zurückzuweichen, aber als er sich bei dieser tröstlichen Charakterisierung der eigenen werten Person ertappte, fragte er sich kritisch: Stimmt denn das überhaupt? Was hatte er denn bisher für Schwierigkeiten zu überwinden? Doch immer nur solche mathematischen Ursprungs! Aber hier nützte ihm die ganze Mathematik nichts, es gab so gut wie keine Fakten, auf die sich irgend etwas aus dem Arsenal mathematischer Operationen anwenden ließ. Vom Handwerk der Mediziner verstand er gar nichts, und sonst? Großes Fragezeichen. Aber das Fragezeichen ist ein sprachliches und kein mathematisches Symbol.
    Also, Herbert Lehmann, wenn du die bisherige Arbeit des Inspektors Lehmann einschätzen solltest, was würdest du sagen? Ich würde sagen, er läuft den Ereignissen hinterher. Soll er vielleicht warten, bis die Ereignisse zu ihm kommen? Weiß ich auch nicht. Jedenfalls geht er nicht analytisch vor. Daß ich nicht lache, analytisch. Was soll er denn analysieren? Und außerdem stimmt das nicht, er hat zum Beispiel das Kernkraftwerk durch Analyse entdeckt… Halt, mein Freund, nicht schwindeln, durch Zufall. Durch Zufall und durch eine Frau in anderen Umständen, die nett aussieht, einen guten Kaffee kocht und in der Stadt Bescheid weiß… Aha, der Genosse Lehmann lenkt ab. Er ist verwirrt. Zugegeben, verwirrt sind auch alle andern. Und warum sind sie verwirrt? Weil diese Krankheit so seltsam ist.
    Seltsame Krankheit muß seltsame Ursache haben, seltsam ist natürlich Unsinn, sagen wir so: Eine unbekannte, neue Krankheit muß eine unbekannte, neue Ursache haben. Ein eingängiger Gedanke, bloß ob er auch richtig ist? Strahlung, Virus – das klingt alles so schön geheimnisvoll wie die Krankheit selbst, aber warum nicht eine simple Vergiftung? Eine Nahrungsmittelvergiftung zum Beispiel sieht häufig so aus: Viele Fälle gleichzeitig auf eng begrenztem Gebiet. Andererseits, alle Nahrungsmittel, die es gibt, gibt es seit vielen Jahren, oft seit Jahrzehnten oder Jahrhunderten. Und die Lebensmittelhygiene wird streng gehandhabt. Oder sind hier irgendwelche ausländischen Spezialitäten neu im Angebot? Ein erster Lichtblick – so was läßt sich ja schnell ermitteln. Aber das ist auch wieder unwahrscheinlich, denn solche Artikel werden ja über die ganze Republik gestreut, und diese Fälle hätten auch woanders auftreten müssen, was aber nicht der Fall war. Hm.
    Die beiden streitenden Lehmanns hatten sich unterderhand wieder vereinigt, wahrscheinlich weil die Gedanken in Fluß gekommen waren. Herbert hatte das Gefühl, daß er etwas übersehen hatte, daß da irgendwo ein Haken war. Also noch mal das Ganze, und etwas geordnet! Zur Debatte steht: Lebensmittelvergiftung. Dafür sprechen die äußeren Umstände. Dagegen spricht die unbekannte Art der Symptome. Anders wird die Sache, wenn man eine neuartige Spezialität annimmt – dann spricht aber wieder die Beschränkung auf Neuenwalde dagegen. Und außerdem, diese Frau aus Dresden, die Gegend wollte sie sich ansehen, nicht Spezialitäten einkaufen… Da war er ja, der Haken! Der Chefarzt hatte im Bezirk angefragt, ob es noch sonst irgendwo solche Fälle gäbe, man mußte aber in der ganzen Republik anfragen!
    Herbert sprang auf. Diese Frage sofort beantworten, und dann alle anderen Fragen überprüfen! Er wußte jetzt, was er zu tun hatte. Er hatte einen Anfang gefunden.
     
    Das Kreisamt für Statistik war in so einem altertümlichen Backsteinbau mit hohen, kühlen, dunklen Fluren untergebracht, wie sie früher nur ganz strengen Institutionen als Sitz gedient hatten: Gerichten, Magistraten, der Polizei.
    Herbert legte seinen Ausweis vor und sagte: „Ich brauche eine Auskunft über IVN!“
    Ein Stahlgitter wurde geöffnet und schloß sich wieder hinter ihm. Dann die üblichen Formalitäten. Bitte legen Sie die Fingerbeeren der rechten Hand in diese fünf Felder. Auf der kleinen Mattscheibe darüber erschien der Text: Identifikation – Herbert Lehmann. Ein Vergleich mit dem Ausweis, dann: in Koje fünf erwartet Sie Kollegin X…
    Hier wurde alles mehrfach geprüft, und der IVN-berechtigte Besucher – andere kamen gar nicht herein – durfte nichts selbst tun. Was Wunder – das Informations-Verbundnetz stellte die denkbar größte Verwaltungsrevolution dar; alle Informationen aus allen Lebensgebieten

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