Das Rätsel Sigma
„Hier ist sie mit der Stirn aufgeschlagen!“ sagte er und zeigte auf die vorspringende Kante einer Armatur. Dann griff er zu einem Schaltknopf und drehte ihn, bis er einrastete.
„Kennst du dich hier aus?“ fragte Herbert.
„Nein – nur die Ein- und Ausschaltungen sind überall im Kraftwerk einheitlich bezeichnet, sicherheitshalber. Komm, wir bringen sie raus, ich nehme die Füße.“
Vor der Tür war offenbar ein Streit entstanden, der aber sofort verstummte, als sie erschienen und die Frau auf die bereitgehaltene Trage legten.
„Zum Revier bringen. Versorgen und vorläufig dort lassen, wir melden uns!“ sagte Leif. „Einverstanden?“ wandte er sich an den Mann in rotem Schutzanzug. Der nickte. „Hier ist der Leiter der ionobotanischen Arbeitsgruppe“, sagte er und zeigte auf einen Mann, der sich jetzt ungeschickt um die verunglückte Kollegin bemühte. „Hallo, Sie, jetzt werden Sie gebraucht!“
Der andere richtete sich auf. „Ja, natürlich!“ sagte er zögernd. Zwei Sicherheitsleute nahmen die Trage auf und setzten sich in Bewegung, den Gang hinunter. Der Leiter der Arbeitsgruppe drehte sich um, als wolle er ihnen nacheilen, besann sich aber.
„Nur erhöhte Ionisation festzustellen, sonst nichts“, berichtete Leif. „Die Kollegin hat sich die Stirn an einer Armatur aufgeschlagen. Ich habe alles abgeschaltet.“
„Gehen wir noch mal hinein und sehen uns die Sache genau an“, schlug der Leiter der Sicherheitsgruppe vor.
Sie hatten zu viert kaum Platz zwischen den Pflanzen. Herbert blieb im Hintergrund, versuchte aber, dabei alles im Auge zu behalten. Der Sicherheitsmann in rotem Schutzanzug zog aus einer Tasche ein breites Etui und öffnete die Lederhülle. Ein Dutzend Stifte steckten darin, Stifte mit einer Art Glasknöpfe, von denen einer leuchtete.
„Stimmt“, stellte er fest, „nur erhöhte Ionisation.“ Er ließ die Hand mit dem Etui um das Schaltpult kreisen, steckte sie hier und da zwischen die Pflanzen, aber nichts änderte sich. „Gut“, sagte er, steckte das Etui wieder ein und wandte sich an den Leiter der Arbeitsgruppe. „Bitte, betrachten Sie jetzt genau die Stellung der Schalter auf dem Arbeitspult. Ist daran etwas falsch oder ungewöhnlich?“
„Dazu müßte ich einschalten, daß ich die Skalen sehe. Es sind Drehknöpfe dabei.“
„In Ordnung, schalten Sie ein.“
„Es ist alles entsprechend der Versuchsanordnung“, sagte der Leiter, nachdem er alle Skalen gründlich gemustert hatte, „nur die Luftionisation ist voll aufgedreht.“
„Sagen Sie bitte“, mischte sich Herbert ein, „wie wirkt ionisierte Luft auf den menschlichen Organismus?“
„In der normalen Dosis, die wir hier verwenden, eigentlich belebend.“
„Und in der Überdosis, die jetzt vorliegt?“
Der Leiter zuckte mit den Schultern. „Jedenfalls wird sie keine unmittelbare Schädigung hervorrufen.“
Herbert fragte den Sicherheitsmann: „Dann können wir doch den Alarm abblasen, oder?“ Er fügte hinzu: „Ich möchte nämlich gern die Vorgänge am Pult rekonstruieren.“
Der Sicherheitsmann zögerte. „Den Alarm können wir beenden, aber dieses Zimmer möchte ich noch nicht freigeben, es muß doch noch einmal gründlich untersucht werden.“ Er wandte sich an den Leiter. „Haben wir dieses Schaltpult noch mal woanders?“
„Ja, nebenan, genau das gleiche.“
Sie verließen das Zimmer, und während der Sicherheitsmann sorgfältig die Tür versiegelte, nahm Herbert als erster den Helm ab.
Das Nebenzimmer war bis auf die Geräteausstattung leer, die Botaniker wollten hier erst in den nächsten Tagen mit einer neuen Versuchsserie beginnen. Der Leiter der Arbeitsgruppe setzte sich auf Herberts Bitte hin an das Pult und erläuterte, was die Kollegin zu tun gehabt hatte.
„Die Hauptarbeit besteht darin, bestimmte Meßwerte an den Pflanzen zu protokollieren. Das erfordert viel Geschick, weil die Pflanzen selbst dabei nicht berührt werden dürfen. Das Schaltpult spielt eigentlich nur eine untergeordnete Rolle, gelegentlich müssen Temperatur und Luftfeuchtigkeit und ein paar andere Werte von Hand nachgeregelt werden. Das modernste ist das gerade nicht, aber na ja.“
„Und welche Knöpfe und Tasten werden dabei hauptsächlich bedient?“ fragte Herbert.
Der Leiter zeigte mit dem Finger darauf.
„Und wo ist der Regler für die Luftionisation?“ Er befand sich am rechten unteren Teil des Pults.
„So, jetzt schlafen Sie bitte mal ein!“ verlangte Herbert. Der Leiter sah
Weitere Kostenlose Bücher