Das Rätsel Sigma
Videoschirm war das ernste Gesicht von Frau Dr. Baatz zu sehen. Es war noch eine Minute bis zum Landeanflug.
Der Raum war von Stimmengewirr erfüllt. Das ständige Wechselgespräch war für die Piloten eine zusätzliche Belastung, aber es war die beste und wahrscheinlich gegenwärtig einzige Möglichkeit, einen eventuellen Ausfall sofort zu bemerken.
Auf dem Infrarot-Bildschirm war der ganze Flugbetrieb gut zu überblicken. Herbert, der nicht daran gewöhnt war, fiel es freilich schwer, sich auf diesem Bild zurechtzufinden, auf dem die Gegenstände und Gebäude so ganz anders aussahen. Lediglich in den Umrissen stimmten sie mit dem überein, was das Auge sonst wahrnahm. Die seltsame Helligkeitsverteilung, die ja von der Temperatur mitbestimmt wurde, ließ manche Dinge fremd und einige ganz unkenntlich erscheinen. Erst nach längerem Überlegen identifizierte er zum Beispiel die Fahrzeuge, die am Rand Aufstellung genommen hatten, in der Richtung, aus der der Anflug erfolgen würde.
„Achtung, an alle Piloten!“ sagte Major Wendler. – Sofort verstummen die Gespräche. – „Sie haben noch dreißig Sekunden bis zum Landeanflug. Nehmen Sie jetzt die Injektion vor! Ich wiederhole noch einmal: Bei aufsteigender Müdigkeit sofort die vorbereitete Schaltung betätigen, die das Triebwerk abschaltet und das Leitwerk blockiert. Flugleiter übernehmen!“ Er schaltete. „Schaumleger eins bis drei – ab!“
Herbert sah auf dem Schirm, wie sich drei der Fahrzeuge in Bewegung setzten. Jetzt war auch schon das Geräusch der sich nähernden Maschinen zu hören. Die Stimmen sprachen ruhig weiter – alles schien normal abzulaufen.
Die drei Fahrzeuge befanden sich jetzt in der Mitte des Rollfeldes. Sie waren auf dem Bildschirm größer geworden, Herbert konnte. mehr Einzelheiten erkennen. Die Fahrzeuge krochen langsam über das Bild – in Wirklichkeit mußten sie mit einer phantastischen Geschwindigkeit über die Pisten rasen. Nach hinten liefen sie in ein Rohr oder eine Stange aus – jedenfalls in irgend etwas, das in die Richtung der sich nähernden Maschinen zielte.
Die Gespräche liefen weiter. Herbert verstand zwar nichts – das Fliegerkauderwelsch, und dann noch durcheinander, da war er überfordert –, aber sie gaben ihm jedenfalls das Gefühl, daß bis jetzt noch alles reibungslos verlief. Natürlich hatte gegenwärtig niemand Zeit, ihm etwas zu erklären. Und um nicht zu stören, vermied er es auch, Fragen zu stellen. Die Maschinen mußten schon ganz nahe sein.
Da erschien der erste Lichtreflex auf dem Schirm, der zweite, der dritte. Die Maschinen schwebten scheinbar geräuschlos dahin, das Dröhnen kam ja aus einer ganz anderen Richtung. Überhaupt empfand Herbert die Situation als seltsam unwirklich, so als liefe ein Trickfilm ab, irgendeine Lehrdarstellung. Für ihn existierte nicht die feste Verbindung von Bild und Wirklichkeit, die für die anderen aus der täglichen Praxis heraus selbstverständlich war. Unsinnigerweise zog es ihn hinaus, er wäre am liebsten auf das Rollfeld gelaufen, wo er weder etwas erkennen noch etwas tun konnte. Er mußte alle Konzentration aufbieten, um beherrscht stehen zu bleiben und um den Vorgängen zu folgen.
Da, jetzt – die erste Maschine schien den Boden berührt zu haben, die zweite, die dritte. Die Fahrzeuge hatten etwa zwei Drittel des Weges zurückgelegt und fuhren nun vor den Maschinen her, die ihnen immer näher kamen.
„Pilot B schweigt!“ schrie jemand. Für einen Augenblick setzte das Stimmengewirr aus.
„Weitersprechen!“ befahl Major Wendler, und dann: „Schaumleger zwei – los!“
Fahrzeug und Flugzeug wurden auf dem Infrarot-Schirm plötzlich groß. Aus dem rückwärts gerichteten Rohr des Fahrzeugs quoll ein starker, sich schnell verbreiternder Strahl der Maschine entgegen. Im Bruchteil einer Sekunde war das Flugzeug in einer Wolke verschwunden, richtiger in einem Ballen Schaumstoff, der sich verfestigte, in dessen zäher Substanz die Maschine schwamm, den sie beim Weiterrasen mit sich zog…
„Eins und drei unterstützen!“ rief der Major. Die beiden Fahrzeuge schwenkten ein und spritzten ebenfalls. Wenn das Kissen, das vor der Maschine entstand, nur für einen winzigen Augenblick zu schwach wurde, müßte die Maschine sich unweigerlich überschlagen. Sie durfte nicht herauskommen aus der Masse, die ihr entgegenströmte, auch nicht seitlich…
Es waren nur Sekunden, bis das unförmige Paket am Rande des Rollfeldes zum Stehen kam, aber nicht
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