Das Raetsel von Flatey
etwas
nicht«, sagte Kjartan leise.
Sie marschierten den Hang hinauf und
hinter dem Jungen her. Als sie zur Kate kamen, sahen sie den Jungen
in der Tür, aber er verschwand sogleich im
Haus.
Grímur rief in das Haus
hinein: »Nonni, mein kleiner Freund, komm doch heraus und
sprich mit uns. Wir wollen dir helfen, wenn irgendwas nicht
stimmt.«
Als keine Antwort kam, bückte
sich Grímur und tastete sich drinnen in der Dunkelheit
vorwärts. Kjartan folgte ihm. Sie kamen erst in eine kleine,
übel riechende und schmutzige Küche. Dahinter lag ein
enger Wohn- und Schlafraum mit vier Betten, an jeder Wand zwei.
Durch ein kleines Fenster oben am Giebel drang Tageslicht ein. Ein
halb voller Nachttopf stand auf dem Boden. Kjartan wurde übel
und er machte kehrt, um wieder an die frische Luft zu kommen. Dort
atmete er ein paar Mal tief durch.
»Mein lieber Nonni«, rief
Grímur drinnen, »wir wollen dich bloß nach
deinem Vater und deinem Großvater fragen. Ob sie schon lange
weg sind.«
Man hörte Lärm, und bald
trat der Gemeindevorsteher mit dem Jungen an seiner Seite wieder
hinaus.
»Der Kleine war ganz allein da
drinnen«, sagte Grímur zu Kjartan.
Der Junge stand mit hängenden
Schultern bei ihnen.
»Sind dein Papa und dein Opa
auf dem Meer?«, fragte Grímur.
»Ja, aber sie sind schon so
lange weg«, antwortete der Junge. »Sie sind heute
Morgen ganz früh losgefahren.«
»Du meinst wohl gestern Morgen.
Hast du heute Nacht gar nicht geschlafen?«
»Nein, ich habe die ganze Zeit
auf sie gewartet.«
»Wo sind sie
hingefahren?«
»Nach Ketilsey, um die
Seehundnetze einzuholen und nach den Eiderenten zu sehen. Sie
wollten gar nicht so lange bleiben.«
»Vielleicht haben sie einen
Motorschaden. Ich werde losfahren und sehen, was los ist. Sie sind
bestimmt nicht in Gefahr. Es ist doch so gutes Wetter. Und warum
bist du nicht mit ihnen gefahren?«
»Ich durfte nicht. Papa hat
mich bestraft, weil ich beim letzten Mal auf der Insel geschissen
habe, und außerdem bin ich aus der Kirche abgehauen, und das
hat er gesehen.«
Auf einmal ging Kjartan ein Licht
auf, und er fragte leise: »Hast du einen Fotoapparat,
Nonni?«
Der Junge blickte ihn erstaunt an,
antwortete aber nicht.
Kjartan wiederholte die Frage:
»Hast du nicht einen Fotoapparat, mein
Kleiner?«
Nonni wollte etwas sagen, aber er
brachte die Wörter nicht heraus.
»Ich glaube, du hast einen
Fotoapparat und vielleicht auch ein schönes Fernglas«,
sagte Kjartan.
»Woher weißt du
das?«, fragte der Junge.
»Kann ich die Sachen mal
sehen?«, fragte Kjartan.
Der Junge schaute sie zögernd an
und machte dann Anstalten wegzugehen. Grímur und Kjartan
folgten ihm. Nonni steuerte auf das Erdhäuschen oberhalb des
Kartoffelackers zu, das dort halb in den Hang eingegraben war. Er
schlüpfte durch die niedrige Tür hinein und kam bald
wieder mit einer kleinen Reisetasche zum
Vorschein.
Er sagte: »Der
ausländische Kerl hat die Tasche im Boot gelassen, als Opa ihn
nach Stykkishólmur gebracht hat. Ich habe sie gefunden und
aufbewahrt.«
Kjartan nahm die Tasche entgegen und
untersuchte sie. Er fand einen Fotoapparat, ein Fernglas, einen
Kulturbeutel und Unterwäsche, die in dem feuchten Schuppen
Schimmel angesetzt hatte.
»Der Fotoapparat ist
kaputt«, sagte der Junge. »Ich habe alles ganz richtig
gemacht, aber da ist kein Bild in dem Kasten
drin.«
Kjartan sagte: »Erzähl uns
doch davon, wie dein Großvater mit dem ausländischen
Kerl losgefahren ist.«
Der Junge blickte hoch und sagte:
»Papa war mit dem Postschiff an Land gefahren, um meine Mama
zu holen. Opa und ich haben dann Ausschau gehalten, als das Schiff
auf dem Rückweg war, und sind zum Kai gegangen, wegen der
Trossen. Dann wollten wir noch auf den Sund hinausfahren, um einen
kleinen Dorsch fürs Abendessen zu
angeln.«
Er verstummte und blickte wieder auf
seine Kostbarkeiten. Er zitterte vor Müdigkeit und
Kälte.
»Und was ist dann
passiert?« Es war Grímur, der diese Frage
stellte.
»Alle anderen waren schon weg,
aber wir waren noch auf der Brücke und wollten gerade in unser
Boot klettern. Da kam der ausländische Mann angelaufen und
schrie etwas. Er war viel zu spät dran, denn das Postschiff
war schon längst weg. Dann hat er Opa befohlen, ihn nach
Stykkishólmur zu bringen, aber er war furchtbar schlecht zu
verstehen.«
»Hat dein Opa zugestimmt, ihn
hinzubringen?«, fragte Grímur.
»Ja, der Mann hat uns einen
Haufen Geld gezeigt, das Opa bekommen
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