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Das Raetsel von Flatey

Das Raetsel von Flatey

Titel: Das Raetsel von Flatey Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Viktor Arnar Ingólfsson
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die es aus einer
ehemaligen Farbdose hervorzog.
    Kjartan nahm die Kaffeekanne, die auf
dem Herd stand, und goss sich eine Tasse Kaffee ein. Dann trat er
vor die Tür und schaute hinunter auf das Dörfchen. Es war
Flut, und die Bucht füllte sich mit Wasser, sodass die
Häuser des Ortes sich im Meer spiegelten. Einige Ortsbewohner
bewegten sich ohne große Hast zwischen den Häusern hin
und her. Wenn sich zwei begegneten, alt oder jung, hielten sie ein
Schwätzchen. Höchstens ein paar Hühner schienen es
eilig zu haben und schossen zwischen den Hausgärten hin und
her. Ein leichter Wind wehte, und trotz des Sonnenscheins war es
recht kühl.
    »Guten Morgen, junger
Mann«, sagte Ingibjörg, als sie bemerkte, dass Kjartan
aus dem Haus getreten war.
    »Guten
Morgen.«
    »Das gute Trockenwetter hat
sich anscheinend gehalten.«
    »Hm,
ja.«
    Ingibjörg war gerade dabei, das
letzte Stück Wäsche aufzuhängen.
    »Es dauert natürlich noch
eine ganze Weile bis zur ersten Mahd, aber es ist natürlich
sehr gut, wenn man jetzt die Eiderdaunen in der Sonne ausbreiten
kann.«
    »Hm, ja, tatsächlich? Wo
ist denn Grímur überhaupt?«, fragte
Kjartan.
    »Er und Högni sind in
aller Herrgottsfrühe los, um die Seehundnetze zu
kontrollieren. Sie dürften gegen Mittag wieder zurück
sein.«
    »Ach
so.«
    »Grímur hat deine
Bekanntmachung heute Morgen aufgehängt, bevor sie losgefahren
sind.«
    »Sehr
gut.«
    »Unser Telegrafenämtchen
macht um zehn Uhr auf, und dann kannst du deinen Vorgesetzten, den
Bezirksamtmann, anrufen.«
    Sie wandte sich zu dem Mädchen.
»Danke für deine Hilfe, liebe Rósa, und jetzt geh
schön spielen.«
    Das Mädchen stellte die Dose ab
und hüpfte davon.
    Ingibjörg ging mit dem leeren
Waschzuber ins Haus zurück.
    Kjartan setzte sich auf einen alten
Walknochen, der an der Vorderseite des Hauses lag, und
schlürfte seinen Kaffee. Die Aussicht war herrlich bei dem
schönen Wetter. Ihm schien, als könnte er ein weiß
gestrichenes Haus im Norden auf dem Festland sehen, aber es konnte
genauso gut eine alte Schneewehe sein.
    Von Hafnarey klang das Gekreisch der
Seevögel in der Brutkolonie herüber, und in der Nähe
blökte ein Lamm. Mit der Brise strich salzige Meeresluft
über die Insel.
    Ingibjörg kam wieder heraus. Sie
hatte die Schürze abgenommen, die zur Tracht gehörende
Kopfbedeckung mit der langen Troddel aufgesetzt und sich ein
gestricktes Dreieckstuch um die Schultern gelegt.
    »Jetzt werde ich dich zum
Telegrafenamt bringen«, sagte sie
freundlich.
    Sie gingen am Steilufer entlang und
durch den kleinen Hohlweg hinunter ins Dorf. Ingibjörg war
sehr viel langsamer als Kjartan, und manchmal blieb sie stehen, um
etwas genau anzuschauen oder jemanden, der ihnen begegnete, zu
begrüßen. Er wartete geduldig und erwiderte
Grußworte, die an ihn gerichtet wurden, wenn Ingibjörg
ihn den Leuten, mit denen sie sprach, vorstellte. Er fand es aber
unangenehm, wie die Leute ihn ohne Scheu taxierten, solange sie mit
der Frau des Gemeindevorstehers sprachen.
    Endlich waren sie beim
Genossenschaftsladen angelangt. Man sah es der Tür an, dass
sie ganz offensichtlich regelmäßig für
Bekanntmachungen genutzt wurde. Alte, verrostete Heftzwecken
steckten hie und da im Holz, und die Ankündigung des
Pfingstgottesdienstes war erst kürzlich angeheftet worden.
Daneben hing das Blatt, das Kjartan gestern Abend getippt hatte, es
war mit vier ganz neuen Heftzwecken befestigt worden.
Ingibjörg blieb stehen, las den Zettel und nickte
lächelnd, wie zur Bestätigung, dass es an dieser
Bekanntmachung nichts auszusetzen gab.
    Das Post- und Telegrafenamt lag dem
Laden direkt gegenüber, es war in einem einstöckigen
Holzhaus mit einem gemauerten Keller darunter untergebracht. Auf
einem blauen Schild oberhalb der Tür stand mit weißen
Buchstaben Postur og sími geschrieben, und wenn man
hineinging, gelangte man in ein Vorzimmer mit einer Garderobe und
einer kleinen Bank. Die Tür zum Dienstraum stand offen. Einige
graue Sprechfunkgeräte hingen an der einen Wand, und
gegenüber war ein Schrank mit vielen Fächern, in den die
Post einsortiert wurde. Ein schwerer Panzerschrank stand auf einem
Sockel in der Ecke.
    Eine kleine, zierliche Frau
begrüßte sie lächelnd. Sie trug Hosen und Pullover,
und ihr langes Haar war zu einem dicken Zopf
geflochten.
    »Das ist unsere Stína,
die Postmeisterin«, sagte Ingibjörg zu Kjartan. Dann
brachte sie das Anliegen vor: »Der Bevollmächtigte des
Bezirksamtmanns muss seinen

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