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Das Rätsel

Titel: Das Rätsel Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: John Katzenbach
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subtrahieren, um herauszufinden, was er über einen Mann zu sagen hatte, der eine Leiche eine Meile weit durch den leeren Wald trägt, nur um sie auf einem Podest zu arrangieren, wo sie binnen ein, zwei Tagen gefunden werden würde.
    Auch wenn er es nicht aussprach, dachte er doch: Ein sorgfältiger Mann. Ein Mann, der plant und seine Pläne dann präzise und selbstbewusst in die Tat umsetzt. Ein Mann, der ganz genau weiß, welche Wirkung er erzielt. Ein Mann, der sich inder akribischen Ermittlerarbeit ebenso gut auskennt wie in der Forensik, denn er weiß, dass er nichts von seiner Person beim Opfer zurücklassen darf. Er hinterlässt ein Statement und keine Spuren.
    Weiterhin im Stillen fügte er hinzu: Ein gefährlicher Mann.
    »Die beiden, die sie gefunden haben … was hatten die für einen Eindruck?«
    »Wir haben ihnen gesagt, es wäre Selbstmord. Das Ganze hat sie ziemlich mitgenommen.«
    In dem Moment ertönte der Pieper am Gürtel des Detective. Inmitten von Bäumen und plätscherndem Wasser klang das Geräusch wie von einem anderen Stern. Martin starrte mit einem seltsamen Blick darauf, als könne er nicht so leicht aus seinen Erinnerungen auftauchen. Dann schaltete er das Gerät aus und zog mit ein und derselben Handbewegung ein Mobiltelefon aus seiner Jacketttasche. Er tippte rasch eine Nummer ein, wies sich rasch aus, und hörte dann aufmerksam zu. Er nickte.
    »In Ordnung«, erklärte er. »Schon unterwegs. Anderthalb Stunden, schätze ich.« Er ließ das Telefon zuschnappen. »Zeit, aufzubrechen«, meinte er. »Sie haben unsere Ausreißerin gefunden.«
    Jeffrey sah, dass die Brandnarben an der Kehle des Detective rot geworden waren. »Wo?«, fragte er.
    »Werden Sie gleich sehen.«
    »Und?«
    Martin zuckte in einer bitteren Geste die Achseln. »Ich sag doch, sie haben sie gefunden. Ich hab nicht behauptet, sie wär zur Tür hereinspaziert und den wütenden, doch überglücklichen Eltern in die Arme gefallen.«
    Er drehte sich um und machte sich zügig auf den Weg zurück zum Parkplatz, wo ihr Auto stand. Clayton hastete hinterherund hörte, wie das Wasserrauschen hinter ihm allmählich leiser wurde.
     
    Der Professor sah die Scheinwerfer mindestens eine Meile im Voraus. Ihr grelles Licht schlug Schneisen in die Dunkelheit. Er kurbelte die Scheibe herunter und hörte den beharrlichen Missklang von Generatoren, der die Nacht erfüllte. Sie waren schnell gefahren und hatten ein wüstenartiges Gelände durchquert, um im Westen das Grenzgebiet nach Kalifornien zu erreichen. Während der ganzen Fahrt sprach der Detective kaum ein Wort – bis auf die kurze Bemerkung, dass sie erneut in eine noch wenig entwickelte Gegend des neuen Staates fuhren. Die Topographie hatte sich allerdings geändert; statt felsiger Berge und endloser Wälder empfing sie flaches Buschland. Es war eine Gegend im Westen, die Schriftsteller beflügelt hätte, dachte Clayton. Für sein ungeübtes Ostküstenauge schien es allerdings, als wäre Gott bei der Erschaffung der Erde ein Weilchen nicht ganz bei der Sache gewesen, während er dieses Terrain formte.
    Einige hundert Meter von den Generatoren und Scheinwerfern entfernt befand sich eine einsame Straßensperre. Ein Mann von der Staatssicherheit in der Uniform eines Verkehrspolizisten, der neben einer Reihe orangefarbener Leitbaken und einigen Lichtsignalen stand, winkte sie zunächst an die Seite, und als er den roten Aufkleber in der Windschutzscheibe sah, gleich weiter.
    Agent Martin hielt trotzdem an. Er kurbelte sein Fenster herunter und fragte: »Was sagen Sie den Leuten?«
    Der Polizist nickte, legte zum Gruß die Hand an die Krempe seines Uniformhuts und antwortete: »Ein Rohrbruch einer Hauptwasserleitung hat die Straße überschwemmt. Wir dirigieren den Verkehr großräumig bis zur Route 60 um. ZumGlück waren es bis jetzt erst ungefähr ein Dutzend Fahrzeuge.«
    »Wer hat sie gefunden?«
    »Zwei Landvermesser. Sind noch da.«
    »Wohnen sie im Bundesstaat oder sind es Gastarbeiter?«
    »Gastarbeiter.«
    Martin nickte und fuhr weiter. »Halten Sie den Mund«, wies er Clayton an. »Ich meine, wenn ich bitten darf. Sie können Fragen stellen, wenn’s sein muss, Ihre Arbeit machen. Aber verhalten Sie sich unauffällig. Ich möchte nicht, dass irgendjemand fragt, wer Sie sind. Falls es doch jemand tut, werde ich einfach sagen, Sie seien ein Spezialist. Die Beschreibung stellt die meisten zufrieden, auch wenn sie im Grunde nicht allzu viel besagt.«
    Jeffrey antwortete nicht.

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