Das Regenmaedchen
auch
nur ein Mann.«
Er zog entschuldigend den Kopf zwischen die
Schulterblätter und schaute sie treuherzig an. Sie dachte an Port und daran,
was er gesagt hatte, und im hintersten Winkel ihres Gehirns fragte sie sich, ob
er wohl auch auf dieser Liste ... »Also fassen wir wieder einmal zusammen«,
sagte Felix. »Auf der einen Seite Prostitution, auf der anderen Seite die große
Liebe. Gott sei Dank hat sie die auch noch kennengelernt.«
»Armes Mädchen. Findest du nicht, Felix? Denk nur an all
diese verrückten Locations. Das schreit doch nach: Ich will entdeckt werden!
Warum entdeckt ihr mich nicht?! Was für ein Erbe hat dieser Großvater in sie
gesenkt.«
Franza schwieg für einen Augenblick. »Wir sollten
versuchen, ihrer Mutter das alles nicht zu sagen.«
Felix nickte.
»Außerdem müssen wir dringend ihre Finanzen überprüfen,
dann kriegen wir wohl auch einen Überblick über ihre Dienstleistungen.«
Wieder nickte Felix, bedächtig, nachdenklich. »Und ihr
Freund, ich meine, ihr richtiger Freund, wer wird das wohl sein? Den sollten
wir dringend finden.«
»Was nicht leicht sein wird.«
»Warum nicht? Sie hat in einer Art WG gelebt. Da redet man
doch miteinander, da tauscht man doch Geheimnisse aus. Nein?«
»Also ich glaube nicht, dass sie ihn groß herumgezeigt
hat. So wie ich unser Mädchen bislang einschätze, hat sie ihn verborgen
gehalten, wie im Grunde ihr ganzes Leben. Und wenn er sich bis jetzt noch nicht
bei uns gemeldet hat, dann wird er's wohl auch nicht mehr tun.«
»Was nicht wirklich für ihn spricht. Ich meine, das muss
einem doch auffallen, wenn die Liebste nicht mehr zu erreichen ist. Und wenn
man nichts zu verbergen hat, dann macht man sich doch wohl auf die Suche. Und
fragt irgendwann die Polizei, ob sie suchen hilft. Aber dieses irgendwann ist eigentlich schon vorbei. Findest du nicht?«
»Ja«, sagte Franza gedehnt und merkte plötzlich, dass sie
an Ben dachte, in einer winzig fernen Ecke ihres Herzens an Ben dachte, und war
erstaunt. »Vielleicht hat er ihr Doppelleben entdeckt und ist ausgerastet.
Hältst du das nicht auch für möglich?«
Sie schwieg, starrte ins Leere. Er tippte sie an. »Was
hast du?«
Sie kam zurück. »Ja«, sagte sie. »Natürlich ist das
möglich. Und Lauberts?«
»Was?«
»Sein alibiloses Alibi.« Er zuckte die Schultern. »Ich
weiß es nicht. Ich habe noch kein Gefühl. Für ihn spricht, dass er von selbst
gekommen ist.«
Franza zuckte die Schultern. »Könnte Kalkül sein. Taktik.«
»Ja«, sagte er. »Einer von uns beiden sollte morgen bei
der Protokollaufnahme dabei sein und ihn noch einmal ordentlich in die Mangel
nehmen.«
Er nahm einen Schluck Cola, verzog das Gesicht.
»Fürchterlich, diese Brühe.
Sauwarm. Wir brauchen dringend eine Kaffeemaschine.«
Franza nickte. Dann klingelte das Telefon auf ihrem
Schreibtisch. Sie hob ab, lauschte. »Ich muss los«, sagte sie. »Maries Mutter.
Etwas verfrüht. Sie steht schon unten.«
Ihr Mann war nun doch bei ihr. Hatte Franza auch nur den
geringsten Verdacht gehegt, er könnte etwas mit dem Tod seiner Tochter zu tun
haben, so war dieser nun restlos ausgeräumt. Er war das Gegenteil von dem, was
Franza erwartet hatte. Ein zarter, nicht allzu großer Mann, der Kummer in
seinem Gesicht gegenwärtig, in dunklem Anzug und schwarzweiß gestreifter
Krawatte. Die Frau stand neben ihm, nickte Franza zu, schwieg. Auch auf der
Fahrt zum Krankenhaus sagte keiner ein Wort.
Vielleicht, dachte Franza, ist das ihrer beider Fehler
gewesen, zu wenig gesagt zu haben, zu schweigsam gewesen zu sein.
Borger erwartete sie. Wie immer trug er unter seinem
weißen Mantel eine Krawatte. Heute passte es.
Sie lag wieder da auf dem Tisch. Still. Als habe sie alle Antworten
gegeben, als warte sie auf ihr Fortkommen, darauf, dass man sie endlich in Ruhe
ließ. Aber das geht noch nicht, dachte Franza, ich kann dich noch nicht in Ruhe
lassen, zu viele deiner Geheimnisse hast du mir noch nicht verraten. Sprich mit
mir, Marie. Wo hast du deinen Liebsten gelassen? Sprich mit mir! Aber Marie
schwieg.
Franza wandte sich ab und der Frau zu. Anfangs hielt sie
sich gut, der Mann hingegen musste sich setzen, hielt sich die Hand vor den
Mund. »Wann können wir sie mitnehmen?«, fragte sie, der schließlich doch noch
alles Blut aus dem Gesicht gewichen war. Gleich wird sie wegklicken, dachte
Franza, gleich. Wetten?
Sie schaute Borger an, wusste, dass er dasselbe dachte. Er
räusperte sich. »Es sind alle Untersuchungen
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