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Das Regenmaedchen

Das Regenmaedchen

Titel: Das Regenmaedchen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Gabi Kreslehner
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verzeihe.«
    Wieder der Blick aus dem Fenster, dann, nach einer
Ewigkeit. »Ist Winnie noch da? Oder hast du ihn gefunden?«
    Franzas Herz begann schneller zu schlagen. »Winnie?«
    Cosima wurde ungeduldig. »Ja! Winnie! Sei nicht so
begriffsstutzig! Der hat doch Ben gehört! Das musst du doch noch wissen! Oder
bist du auch so eine Ignorantin?«
    »Ben? Was weißt du von Ben?«
    Cosimas Blick war unergründlich. »Jenny wird mich
umbringen«, sagte sie seufzend. »Aber ich werd's wohl überleben.«
    Sie grinste, wurde rasch wieder ernst. »Sie traut dir
nicht. Sie traut niemandem. Ich schon. Und ich hab gehört, wie er über dich
geredet hat.«
    »Wer? Über wen?«
    Sie schüttelte den Kopf, in ihre Augen trat ein
verächtlicher Ausdruck. »Also, du bist wirklich nicht besonders helle, oder?
Ben natürlich! Über dich! Über seine Mutter! Du bist doch seine Mutter!«
    Franza war sprachlos. Was wusste dieses Mädchen noch
alles?
    »Woher ...«
    »... ich das weiß?«
    Sie schnippte ein unsichtbares Staubkörnchen von ihrem
Ärmel. »Er hatte manchmal Fotos bei sich. Marie war ganz scharf auf Fotos,
musst du wissen. Auf Familienfotos, wenn du verstehst, was ich meine,
Weihnachten, Ostern, Geburtstag, heile Welt eben. Wir sind alle ganz scharf
drauf.« Sie lachte ein trauriges Lachen. »Also brachte Ben welche mit. Und
erzählte. Wie das so lief, an Weihnachten, an Ostern, in der sogenannten heilen
Welt. Dann hat sie geheult wie ein Schlosshund, und er musste sie trösten. Sie
war supercool, die Marie, wirklich eine Wahnsinnsfrau, aber manchmal hatte sie
einen gewaltigen Schuss.« Wieder Schweigen und Blick aus dem Fenster. Ein
leises Zittern. Sie wischte es fort. »Manchmal durften wir die Fotos auch
sehen, Jenny und ich. Er hat viel erzählt, der Ben. Zum Beispiel, dass du Bulle
bist. Und einen Freund hast. Einen Schauspieler. Der jünger ist.«
    Franza wurde rot, Cosimas Augen wanderten abschätzend
ihren Körper entlang, blieben an ihren Hüften hängen, die zu breit waren und zu
... »Aber scheiß drauf. Dein Mann hat dich ja auch betrogen. Und tut's
wahrscheinlich noch.« Cosima verzog gleichgültig das Gesicht, schwieg einen
Augenblick. »Wir kennen die ganze Familie. Sogar das kleine Schwesterchen.«
Ihre Stimme war spöttisch geworden, der Blick aufmerksam, Franza spürte, dass
sie sich erneut auf dem Prüfstand befand. Schließlich schüttelte Cosima den
Kopf. »Das ist alles nix Besonderes, weißt du. Und nicht, dass du jetzt denkst,
Ben ist eine Dorftratsche, die alle Familiengeheimnisse in die Welt posaunt.«
Sie lachte. »Obwohl er das eigentlich tatsächlich gemacht hat. Aber er hat's ja
nur getan, um uns ein bisschen zu trösten. Damit wir sehen, dass die heile Welt
auch nicht wirklich heil ist. Aber das haben wir schon vorher gewusst.« Franza
fühlte sich schlecht. »Ist es ihm nicht gutgegangen?«, fragte sie. Cosima
staunte. »Aber ja«, sagte sie. »Doch! Weißt du das nicht?«
    »Ich hab es gehofft. Aber ich ... mir war nicht klar, dass
er alles mitbekommen hat. Dass sein Vater und ich ...«
    Sie schüttelte den Kopf, angesichts Cosimas
unbestechlicher Augen wusste sie, dass sie rasch zu schweigen hatte. Es ging
nicht um sie, nicht um ihr Leben, das im Grunde, von kleinen Unpässlichkeiten
abgesehen, doch bislang ganz gut gelaufen war. Niemand hatte sie in
jugendlichem Alter geschlagen oder missbraucht oder sie bedroht oder sie auf
die Straße gezwungen. Bis auf ein paar Hochwässer war sie in aller Ruhe
aufgewachsen und hatte sich rüsten können für das Leben.
    Also was maßte sie sich an, mit ihrem doch vergleichsweise
kleinen Schicksal mithalten zu wollen?
    Und Ben? Was hatte er hier zu suchen gehabt?
    Ben, der ihr so rasch entwachsen war, dass sie es gar
nicht gemerkt hatte. Wie er sich entzog. Und in sein eigenes Leben glitt. Und
Verantwortung übernahm. Für eine Liebe. Die groß schien und wahrhaftig.
    Und jetzt?
    War Marie tot und Ben irgendwo.
    Sie spürte den Stachel, wie er bohrte und schmerzte. Wie
hatte sie auch nur eine Sekunde glauben können, dass er, Ben ...
    Erst dieses Mädchens hatte es bedurft, damit der letzte
Zweifel sich in Luft auflöste.
    So wenig kannte sie ihn. So wenig wusste sie von ihm.
    »Was ist?« Cosimas Gesicht kam ihr nahe. »Geht's gut?«
    Franza nickte. »Wo habt ihr euch denn getroffen? Hier?«
    »Hier?« Cosima lachte. »Wo denkst du hin? Nein. Ben war
nie hier. Den hätte sie nie hierhergebracht.«
    »Warum nicht?«
    Sie zuckte die Schultern. »Was du

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