Das Reich der Dunkelelfen - Weltennebel
»nein, eigentlich ist es eher eine Gewissheit.«
»Was denn?« Darian ließ sich neben ihr nieder und wartete geduldig.
Ganz langsam hob sie den Kopf und sah Darian auffordernd an. »Kannst du dich daran erinnern, dass Leána immer von ihrer geheimnisvollen Freundin gesprochen hat, die sie gelegentlich besucht, und für die niemand eine Erklärung hatte?«
»Natürlich, aber was hat das mit dem allen hier zu tun?«
»Und kannst du dich auch daran erinnern, dass Cadman, der Wolfsvater, steif und fest behauptet hat, Leána wäre bei ihm gewesen?«
»Natürlich, aber Mia …«
Sie unterbrach ihn und fasste ihn so fest am Arm, dass ihm ihre Fingernägel in die Haut stachen. »Darian, sie ist eine Portalfinderin! Sie kann die Stellen finden, an denen man in fremde Welten reist.«
»Wie bitte?« Unglauben stand in Darians Gesicht, als könne – oder wolle – er nicht wahrhaben, was er gerade hörte. »Aber sie ist doch gar nicht in eine andere Welt gereist. Wenn überhaupt, war sie doch nur auf dem Festland.«
»Es gibt Legenden von Kraftorten, die Reisen innerhalb des Landes möglich machen, so wie Merradann uns von der Geisterinsel aufs Festland geschickt hat. Diese Orte sind geheim und angeblich nur den Diomár bekannt.«
»Mia, ich glaub das nicht …« Verwirrung und Angst beherrschten Darians Züge; seine Gefährtin schüttelte traurig den Kopf.
»Als Ray’Avan davon sprach, dass Blut zweier Rassen vereint sein muss, die jeweils einen Zauberer unter ihren Vorfahren haben, wurde es mir klar. Leána hat die Gabe von Ray’Avans Großmutter geerbt.«
»Nein, ich habe doch …« Entsetzt hielt Darian inne und wirkte plötzlich sehr nachdenklich. »Doch, meine Mutter hatte magische Fähigkeiten, wenn auch nur geringe, und sie stammte von einer Magierin ab. Offensichtlich ist das Zauberertalent während vieler Generationen nicht zutage getreten. Und jetzt soll Leána …« Darian brach ab und starrte Aramia sprachlos an.
»Sie wurde zur Tag- und Nachtgleiche im Herbst geboren. Das wären zu viele Zufälle auf einmal«, fügte Aramia kaum hörbar hinzu.
Stumm und fassungslos legte Darian den Arm um seine Gefährtin, und sie lehnte ihren Kopf an seine Schulter.
»Wir sagen es einfach nicht, es bleibt unser Geheimnis«, schlug Darian vor.
Mit traurigem Blick sah Aramia zu ihm auf. »Das war auch mein erster Gedanke – aber Darian, wir können doch nicht das ganze Land dem Untergang weihen, nur um unsere Tochter zu schützen. Unsere Aufgabe ist es, die Drachen zurückzuholen, das hat Merradann ausdrücklich gesagt.«
»Sie wird in großer Gefahr sein, wenn das bekannt wird«, schlussfolgerte er unbehaglich.
Aramia hatte plötzlich das Bild ihrer Tochter vor sich. Dieses kleine, fröhliche und unbeschwerte Mädchen sollte die Hoffnungsträgerin für ganz Albany sein? Sie konnte es einfach nicht glauben, ihre Kehle war wie zugeschnürt, und als sie in Darians Augen blickte, sah sie die gleiche Angst und Unsicherheit darin.
Nach ausgiebigen Gesprächen beschlossen die beiden, nur Atorian von ihrer Vermutung zu erzählen. Bas’Akir trauten sie nicht über den Weg und auch Zir’Avan wollte Aramia nicht einweihen. Wenn es schon unabänderlich schien, dass sie Leánas Hilfe bedurften, dann mussten sie zumindest dafür Sorge tragen, dass ihrer Tochter der größtmögliche Schutz zukam.
Kapitel 21
Auf finsteren Pfaden
Nachdem Darian eingeschlafen war, schlich sich Aramia noch einmal aus dem Haus ihres Vaters. Problemlos fand sie den Weg zur Höhle ihres Urgroßvaters und achtete genau auf mögliche Fallen, doch der alte Dunkelelf hatte diese offenbar noch nicht erneuert. Gerade trat sie um die letzte Biegung, als sie beinahe mit einer erschreckenden Gestalt zusammengestoßen wäre.
Aramia blieb abrupt stehen und musterte den Fremden eingehend, wobei ihre Hand sich langsam dem Knauf ihres Schwertes näherte. Die Gestalt war in einen Umhang gehüllt, nicht sehr groß – sie überragte Aramia höchstens um Fingerbreite –, aber bevor er sich seine Kapuze eilig über den Kopf gezogen hatte, hatte sie einen Blick auf seine stechenden grauen Augen werfen können und für einen Moment das ungute Gefühl gehabt, in tiefste Finsternis zu blicken. Auch seine für Dunkelelfen seltene Hakennase bemerkte sie, aber bevor sie sich weitere Gedanken über dieses Wesen machen konnte, spürte sie, wie magische Fesseln ihre Arme und Beine zur Reglosigkeit verbannten. Aramia war froh, ihre Kapuze noch nicht abgenommen zu
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