Das Reich der Dunkelheit
holten ihn wieder ein …
An seinem zwanzigsten Geburtstag wartete der Junge auf seinen Vater. Inzwischen hatte er gelernt, mit dem Schwert umzugehen. Er hatte heimlich im Wald geübt, zusammen mit seinem Freund Cromell, undnun wollte er dem Grafen Idio zeigen, was er konnte. Doch der Graf kam nicht. Er hatte ihn schon seit Jahren nicht mehr besucht.
Am nächsten Tag schlich sich Morfidio unbemerkt in die Gemächer seines Vaters. Er hatte alles sorgfältig geplant, um keine unangenehmen Überraschungen zu erleben. Also versteckte er sich hinter einem Vorhang und wartete, bis der Graf hereinkam und sich auf sein riesiges Bett warf. Morfidio zog seinen Dolch aus dem Gürtel, näherte sich lautlos seinem Erzeuger und stieß ihm die Klinge in die Brust.
„Vater“, flüsterte er, „du hast mir deine Liebe verweigert. Jetzt werde ich deinen Platz einnehmen. Von nun an werde ich Graf Morfidio sein. Ich bin nicht mehr dein unehelicher Sohn, ich bin jetzt du!“
Bis zum Morgen sorgte er dafür, dass sich niemand seiner Ernennung zum Grafen widersetzte. Er würde den neuen Tag als Graf Morfidio begrüßen.
Als König Frómodi aus seinen Erinnerungen erwachte, bereitete er sich darauf vor, sein elendes Leben zu beenden.
„Herr!“, hörte er jemanden vom Hof heraufrufen. „Ich bin wieder hier!“
Der König erkannte die Stimme seines Vertrauten Escorpio, und sogleich war er wieder voller Hoffnung. Er ergriff sein Schwert und trat zum Fenster.
„Ich habe Verstärkung geholt!“, rief Escorpio stolz.
Da erblickte Frómodi die fünfzig berittenen Soldaten, die seinen Spitzel begleiteten. Er fühlte sich wie neugeboren. Plötzlich hatte das Leben wieder einen Sinn.
„Jetzt können wir Górgula aufsuchen“, rief Escorpio. „Bald werdet Ihr wieder ganz der Alte sein!“
Frómodi hob sein Schwert zum Zeichen der Zuversicht.
„Auf unseren Sieg!“, rief er. „Auf die Unsterblichkeit!“
Die fünfzig Soldaten hoben ihre Waffen und ließen ihren König hochleben.
***
W ÄHREND SICH DIE carthacianische Armee auf die Schlacht vorbereitete, ging Arturo, begleitet von seinem treuen Knappen, in die Bibliothek der Stadt.
„Was wollen wir hier?“, fragte Crispín. „Was kann es an diesem seltsamen Ort geben, das uns weiterhilft?“
„Bücher“, antwortete Arturo und nahm ein Exemplar aus dem Regal.
„Was wir brauchen, sind Soldaten“, sagte der Knappe. „In der Stadt wimmelt es von Demoniquianern. Wenn wir nicht aufpassen, werden sie uns vernichten.“
„Wir werden ihnen erst gar keine Gelegenheit dazu geben. Hier, schaff die Bücher zum Wagen. Ich möchte, dass sie heute Nachmittag ins Zentrum der Stadt gebracht werden, vor den Tempel der Demoniquianer. Vergiss es nicht.“
„Keine Sorge, ich werde es nicht vergessen.“
Arturo hielt weiter nach geeigneten Büchern Ausschau, als ein Mann auf ihn zutrat.
„Entschuldigt mich, edler Ritter“, sprach der Mann ihn freundlich an. „Ich sehe, dass Ihr Euch für unsere Bücher interessiert. Kann ich Euch irgendwie behilflich sein?“
„Nicht nötig, Herr“, antwortete Arturo. „Ich suche nichts Bestimmtes. Ich komme schon allein zurecht … Kennen wir uns nicht?“
„Natürlich. Ich heiße Ásbico und gehöre zu den Beratern des Königs.“
Arturo erkannte sein Gesicht und seine Stimme wieder.
„Jetzt erinnere ich mich an Euch, Herr. Seid Ihr nicht der, der …“
„Psssst! Die Wände haben Ohren!“
Instinktiv zückte Arturo sein Schwert und blickte sich nach allen Seiten um.
„Seid unbesorgt, hier droht Euch keine Gefahr“, beruhigte ihn der geheimnisvolle Mann. „Aber wenn Ihr erlaubt, würde ich Euch gern in mein Haus einladen. Wir könnten zusammen essen.“
„Ich habe noch einige wichtige Dinge zu erledigen“, sagte Arturo.
„Ich bin sicher, dass nichts so wichtig für Euch ist, als sich mit mir unter vier Augen zu unterhalten, Ritter Arturo Adragón. Ich habeEuch etwas zu erzählen, das Euch sicherlich interessieren wird. In meinem Hause gibt es keine Spitzel.“
Arturo wollte die Einladung schon ablehnen, doch da hielt Ásbico ihm ein Papier hin, auf dem ein großes Auge zu sehen war, zusammen mit einer Unterschrift, die er bereits von anderen Botschaften her kannte: Ein geheimer Freund von Aquilion.
„Gut, ich nehme Eure Einladung an“, sagte Arturo.
Seinen Knappen, der gerade wieder hereinkam, wies er an, mit seiner Arbeit fortzufahren.
„Darf ich dich nicht begleiten?“, fragte Crispín.
„Nein!“, sagte Arturo.
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