Das Reich der Traeume
unter Aufsicht«, warnt er mich, bevor er den Hörer des Telefons abnimmt, das schon eine ganze Weile klingelt. »Ja, bitte?«
Ich bin ratlos. Ich habe versucht, einem jüngeren Mitschüler zu helfen, der von den anderen ständig geärgert wird, und anstatt dafür gelobt zu werden, werde ich als der Ãbeltäter hingestellt.
»Ich habe schlechte Nachrichten für dich, Arturo«, sagt der Direktor, als er den Hörer wieder auflegt. »Hör mir gut zu und bleib ganz ruhig. Das städtische Krankenhaus hat angerufen und mir mitgeteilt, dass dein Vater soeben eingeliefert wurde. Anscheinend ist er überfallen worden.«
»Ãberfallen? Wieso überfallen?«
»Jemand hat ihn überfallen und ihn ⦠Na ja, er ist verletzt worden. Aber man hat mir versichert, dass es nichts Ernstes ist. Trotzdem solltest du â¦Â«
»Kann ich zu ihm?«
»Ja. Warte, ich sag Mercurio Bescheid, er soll dich hinbringen. Das ist besser ⦠Warte einen Moment â¦Â«
Während er Mercurio anruft, schicke ich Metáfora eine SMS . Sie wird sie lesen, wenn sie nach der Schule ihr Handy einschaltet. Mir schieÃt ein Gedanke durch den Kopf: Hat der Ãberfall womöglich etwas mit dem zu tun, was Hinkebein passiert ist?
* * *
Mercurio parkt seinen Wagen vor dem Eingang zur Notaufnahme. Wir sind mit Vollgas durch die Stadt gerast. Ich schnalle mich los und steige aus.
»Warte, ich komm mit«, sagt Mercurio. »Ich lass dich nicht alleine da reingehen.«
»Danke, aber das ist nicht nötig.«
»Sag das nicht. Man weià nie, wann man die Hilfe eines Freundes braucht. Los, komm!«
In der Eingangshalle versperrt uns ein Wachmann den Weg und fragt uns, wohin wir wollen.
»Mein Vater ist gerade eingeliefert worden!«, erkläre ich. »Ich möchte zu ihm!«
»Wie ist sein Name?«
»Arturo Adragón.«
»Warte â¦Â« Er zückt sein Handy. »Auf welcher Station liegt Señor Adragón? ⦠Danke ⦠Du musst in den zweiten Stock gehen, er liegt in der Chirurgie.«
»Wird er operiert?«
»Ganz ruhig. Wahrscheinlich wird er nur genäht, nichts Ernstes. Da drüben ist der Aufzug.«
Keine Minute später sind wir im zweiten Stock. Ich gehe zu einer Krankenschwester, die gerade aus dem Operationssaal kommt.
»Entschuldigung, mein Vater wird gerade operiert ⦠Arturo Adragón ⦠Kann ich ihn sehen?«
»Da darfst du nicht rein. Woran wird er denn operiert?«
»Weià ich nicht! Er ist vor einer halben Stunde eingeliefert worden!«
»Ah, jetzt weià ich, wen du meinst. Es ist nichts Schlimmes, nur ein paar Glassplitter in der Hand. Setz dich hierhin und warte. Gleich kommt jemand und sagt dir Bescheid.«
Ich will schon auf die Tür zustürmen, da hält Mercurio mich am Arm fest.
»Warte! So läuft das hier nicht! Sie hat gesagt, du sollst warten, also wartest du, klar?«
»Aber es geht um meinen Vater!«
»Setz dich bitte hin und beruhige dich! Du bist in einem Krankenhaus und nicht in einem Supermarkt! Hier musst du dich an die Vorschriften halten!«
Wir gehen in den Warteraum und setzen uns direkt neben die Tür, damit die Ãrzte uns sehen, sobald sie rauskommen.
»Tut mir leid, Mercurio. Ich hab wohl eben die Nerven verloren.«
»Macht nichts, ist schon gut. Jetzt beruhige dich erst mal. Es ist bestimmt nichts Schlimmes, wirst schon sehen â¦Â«
Die Minuten vergehen quälend langsam. Wenn nicht gleich jemand rauskommt, um mir zu sagen, was los ist, werde ich noch verrückt!
Plötzlich höre ich jemanden zu mir sagen: »Bist du der Sohn von Señor Adragón?«
»Ja, Señor ⦠Ich heiÃe Arturo Adragón, wie mein Vater.«
»Deinem Vater geht es gut. Er wurde gerade in sein Zimmer gebracht. In einer halben Stunde kannst du zu ihm.«
»Warum nicht jetzt gleich?«
»Weil er sich erst ein wenig ausruhen muss. Wir geben dir über den Lautsprecher Bescheid, in Ordnung?«
»Vielen Dank, Doktor«, sagt Mercurio. »Wir können ja inzwischen was trinken. Komm, Arturo.«
Es ist erst eine Viertelstunde vergangen und ich habe schon zwei Tassen Schokolade getrunken.
»WeiÃt du was? In der Schule wird viel darüber geredet, wie du dich für Cristóbal eingesetzt hast«, sagt Mercurio. »Viele finden es gut, aber andere â¦Â«
»Mir ist egal, was die anderen darüber
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