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Das Reich in der Tiefe

Das Reich in der Tiefe

Titel: Das Reich in der Tiefe Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Richard Koch
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Kontinente, gab Erläuterungen über Dinge, die ihm fremd und schwer begreiflich waren und ahnte im Wachen nichts von der nächtlichen Abzapfung seines Wissens. Nur wunderte er sich oft beim Erwachen, wie erschöpft und zerschlagen er trotz festen Schlafs war. Manchmal kam es ihm vor, als sei die Stellung des Tisches und der Stühle eine andere als am Abend vorher, dann redete er sich ein, daß es ein Irrtum sein müsse.
    In diesem Zustand der Erregung und Ratlosigkeit kam wie gerufen der Arzt, der nach langer Zeit wieder einmal nach ihm sah, als Simad schon gegangen war. Klaus überfiel ihn mit der Frage: „Wo ist Rocco, und warum kümmert er sich nicht um mich?“
    „Rocco lebt zu Haus auf dem Lande in der Nähe von Kla, ist nicht in Atakor.“
    „Und wann wird diese Freiheitsberaubung ein Ende finden? Ich werde verrückt dabei, bin nicht mehr Herr meiner Nerven. Damit ich die Sprache erlerne, braucht man mich zu eurem gepriesenen Lande nicht zu isolieren. Oder fürchtet man sogar im Königspalast eine Entführung?“
    „Das hat andere Gründe! Man isoliert dich aus Furcht davor, daß dem Volk Zweifel an der althergebrachten Religion und Weltanschauung kommen, falls deine Behauptungen bekannt werden!“
    „Sehr menschenfreundlich! Habt ihr, du und Rocco, auch Furcht davor?“
    „Wir hoffen von ganzem Herzen, daß du in Fieber oder in Verwirrung gesprochen hast, denn anders wäre es furchtbar. Es würde den Einbruch dämonischer Gewalten in unser gut übersehbares und glückliches Dasein bedeuten. Wir würden nicht mehr Menschen sein, von denen jeder etwas bedeutet im Ablauf der Welt, sondern herabgewürdigt werden zu einem Nichts.“
    Erichsen war betroffen. Wenn sogar der Arzt eine solche Einstellung hatte, dann war es sinnlos, ihm seine Nöte und Empfindungen anzuvertrauen. „Denken alle so?“ fragte er.
    „Ja, darin sind wir uns alle einig. Der Streit geht um andere Fragen. Rocco und ich, wir streben an, unsere Expedition in die große kalte Hohle, die deine Heimat ist, so bald als möglich zu wiederholen, wir wollen als Wissenschaftler das Problem lösen, ohne Rücksicht darauf, was sich als Wahrheit herausstellt. Der Kronprinz steht auf unserer Seite. Sarasola sieht aber schon in einer weiteren Expedition in deine Heimathöhle eine große Gefahr und will sie verhindern. Die Meinung der Mitglieder des Hohen Rates ist geteilt, jede Partei versucht, die Mehrheit für sich zu gewinnen.“
    Weiter erzählte der Arzt seinem ungläubig lauschenden Zuhörer offenherzig den Verlauf der ersten Vorstellung vor dem König und dem Hohen Rat vor einem Vierteljahr, daß auch Rocco damals in seinem Bericht betont hätte, er hielte Erichsen infolge seines Sturzes für geistesgestört.
    „Wenn es so steht“, sagte Klaus erbittert, „werde ich erst recht die Wahrheit verkünden, vor der einzig kompetenten Körperschaft, dem König und dem Hohen Rat. Jetzt beherrsche ich ja einigermaßen eure Sprache, ich werde so reden, daß man mir glauben muß. Was kann mir denn schon passieren?“
    „Passieren? Von selten des Königs und des Hohen Rates nichts – außer weiterer Isolierung. Bei uns zu Lande ist man human und friedfertig!“
    „Das habe ich gemerkt“, antwortete Erichsen mit bitterem Spott, „als man mich acht Tage nach meiner Ankunft entführen wollte.“
    „Leider gibt es bei uns außer einer riesigen Überzahl guter und harmloser Menschen auch ein paar fanatische Sektierer, die im Dienst ihrer vermeintlichen Sendung kein Mittel scheuen. Es sind die ‚Grauen’. Ihr schändlicher Überfall ist ja abgewehrt worden!“
    „Sie müssen doch ein Motiv dazu gehabt haben?“
    „Nun ja – ihre fanatisch religiöse Einstellung – und um es ganz offen zu sagen, den Auftrag einer gewissen höchsten Stelle, die, wie man munkelt, Querverbindungen zu den Grauen hat.“ Der Arzt wandte sich zum Gehen: „Ich habe schon zuviel gesagt!“
     
    *                     *
    *
     
    Eines Tages teilte Professor Simad seinem Schüler mit, Seine Königliche Majestät und Seine Königliche Hoheit der Kronprinz wünschten ihn in einer Stunde zu sehen, um festzustellen, welche Fortschritte er in der Erlernung der Sprache gemacht habe. Zum erstenmal verließ er den Turm, in Begleitung von Simad, der ihn ermahnte:
    „Sie haben nur kurz auf das zu antworten, was der König oder der Kronprinz Sie fragen, und nicht etwa längere Ausführungen zu machen!“
    Vor ihnen öffnete sich das Tor zum großen Audienzsaal.

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