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Das Reisebureau Thompson und Comp.

Das Reisebureau Thompson und Comp.

Titel: Das Reisebureau Thompson und Comp. Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Michel Verne
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zu sein. Verzeihen Sie mir diese tadelnswerte Erregung.
    – Eifersüchtig?… Warum denn? Welche Frau hätte schlechten Geschmack genug, dem Marquis de Gramon einen Korb zu geben?
    –… Dem Dolmetscher-Cicerone an Bord der »Seamew« und Besitzer von hundertfünfzig Francs, die, soweit er Thompson kennt, auch eigentlich noch in der Luft schweben,« vollendete Morgan mit Bitterkeit den Satz.
    Roger machte eine ablehnende, verneinende Geste.
    »Das ist wirklich hübsch! rief Roger leichten Tones, mißt man die Liebe denn nach harten Talern? Man hat doch schon häufig, und gerade von Amerikanerinnen, gesehen…
    – Kein Wort mehr! unterbrach ihn Morgan kurz, indem er die Hand des Freundes ergriff. Ein Vertrauen für das andre. Hören Sie mein Geständnis, dann werden Sie begreifen, daß ich über dieses Thema nicht scherzen kann.
    – Ich höre, sagte Roger.
    – Sie fragten mich eben, ob ich einen besondern Grund gehabt hätte, mich heute entfernt zu halten. Nun ja, ich hatte einen.
    – Da haben wir’s ja, sagte Roger.
    – Sie können sich unbehindert der Neigung, die Sie zu Miß Dolly hinzieht, hingeben, und Sie verbergen Ihr Glück zu lieben ja auch nicht, mich aber… bei mir ist es die Furcht zu lieben, die mich lähmt.
    – Die Furcht zu lieben! Das ist eine Furcht, die ich niemals kennen würde.
    – Ja, die Furcht. Der unvorhergesehene Vorfall, bei dem ich glücklich genug war, Mistreß Lindsay einen Dienst leisten zu können, hat mich natürlich in ihren Augen etwas erhöht…
    – Hatten Sie gar nicht nötig, glauben Sie es mir, um in den Augen der Mistreß eine Stufe höher zu steigen, unterbrach ihn Roger kurz.
    – Dieser Zwischenfall hat ja unsre gegenseitigen Beziehungen etwas intimer gestaltet, hat die von den Gesetzen der Gesellschaft geschmiedeten Fesseln zwischen uns ein wenig gelockert. Gleichzeitig hat das mir aber auch über mich selbst die Augen geöffnet. Ach, hätte ich denn getan, was ich gewagt habe, wenn ich nicht geliebt hätte!«
    Morgan schwieg einen Augenblick. Dann begann er wieder:
    »Eben weil mir die veränderte Sachlage zum Bewußtsein gekommen war, wollte ich daraus keinen Nutzen ziehen, und werde das auch in Zukunft, selbst bei noch näherer Bekanntschaft mit Mistreß Lindsay, niemals tun.
    – Welch närrischer Liebhaber sind Sie doch! sagte dazu Roger mit scheinbarer Ironie.
    – Für mich ist es eine Ehrenfrage, antwortete Morgan. Ich weiß nicht, wieviel Vermögen Mistreß Lindsay besitzt, soweit ich das aber beurteilen kann, und wenn ich dafür auch keine andern Beweise hätte, als gewisse Tatsachen, deren Zeuge ich gewesen bin, muß es sehr beträchtlich sein.
    – Welche Tatsachen? fragte Roger.
    – Es könnte mir aber nicht passen, fuhr Morgan, ohne sich weiter zu erklären, fort, für einen Bewerber gehalten zu werden, der nach Reichtümern strebt, und meine jämmerliche Lage würde eine solche Vermutung gar zu leicht rechtfertigen.
    – Alle Achtung, mein Lieber, dieses Feingefühl macht Ihnen Ehre, doch haben Sie wohl daran gedacht, daß die Strenge Ihrer Moral ebenso auch meine Gefühle in zweifelhaftes Licht setzte? Ich grüble eben nicht groß, wenn ich an Dolly denke.
    – Unsre Lage ist nicht die gleiche… Sie sind reich…
    – Vielleicht im Verhältnis zu Ihnen, entgegnete Roger, kaum aber im Verhältnis zu Miß Dolly. Mein Vermögen verschwindet neben dem ihrigen.
    – Es genügt aber in jedem Falle, Ihnen volle Unabhängigkeit zu gewährleisten, sagte Morgan, und überdies liebt Miß Dolly Sie, das ist ja deutlich zu sehen.
    – Das mag ja sein, gab Roger zu; wie aber, wenn nun Mistreß Lindsay Sie liebte?
    – Wenn Mistreß Lindsay mich liebte!« wiederholte Morgan halblaut.
    Sofort aber schüttelte er den Kopf, eine so sinnlose Hypothese anzunehmen, und auf die Reeling gestützt, blickte er nochmals auf das Meer hinaus. Auch Roger stand an der Bordwand, und lange Zeit herrschte tiefes Schweigen zwischen den beiden Freunden.
    So flossen die Stunden friedlich dahin; der Steuermann hatte schon längst Mitternacht angeschlagen, als sie noch immer ihren auf dem Kielwasser tanzenden Träumen, ihren trüben und heitern Träumen nachhingen.
Drittes Kapitel.
Worin die »Seamew« gänzlich stehen bleibt.
    Wären die Passagiere früh am andern Morgen auf das Spardeck gekommen, so hätten sie, zwar noch fern, die hohen Ufer von Gran Canaria sehen können. Hier sollte die »Seamew« den ersten Hafen der Inselgruppe anlaufen, und in Teneriffa den zweiten und

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