Das Reisebureau Thompson und Comp.
Wesen, ohne eine einzige Pflanze. Unter dem Einfluß der wohltätigen Wärme begann das Reich des Lebens erst oben am Gipfel wieder.
Drei Schritte weit voneinander stehend, betrachteten Alice und Morgan den Horizont, der schon im Morgenrot glühte. Vor der Feierlichkeit des Anblicks verstummt, weideten sich ihre Augen und ihre Seele an dem großartigen Schauspiel, das sich vor ihren Augen entwickelte.
Um sie herum summten Fliegen und Bienen und schnelle Finken flatterten kreuz und quer dahin. Zu seinen Füßen entdeckte Morgan ein Veilchen, das sich wie frostig unter seinen wolligen Blättern verbarg. Er beugte sich nieder und pflückte das verirrte Blümchen, das seine Blüte in einer Höhe entfaltete, wo kein andrer Vertreter des Pflanzenreichs hätte leben können. Das Veilchen überreichte er seiner Begleiterin, die es schweigend an ihrem Busen befestigte.
Plötzlich flammte das Licht des Tages auf. Gleich einer glühenden, noch strahlenlosen Metallscheibe erhob sich die Sonne am fernen Horizonte. Zuerst wurde es um den Gipfel völlig hell, dann sank der Schatten, wie er gestern emporgestiegen war, mit gleicher Schnelligkeit hinunter.
Alta Vista und der Zirkus Las Canadas wurden sichtbar. Wie mit einem Schlage und als ob ein Schleier davor weggezogen worden wäre, erglänzte auch das Meer unter dem endlosen Azur des Himmels.
Auf dem Meere lag nur noch ein regelmäßiger Kegel, der Schatten des Pics, dessen Spitze im Westen bis zur Insel Gomera reichte. Weiter draußen und mehr im Süden wurden Ferro und Palma trotz einer Entfernung von hundertfünfzig Kilometern deutlich sichtbar. Im Osten erhob sich Gran Canaria im goldenen Lichte des jungen Tages, und während seine Hauptstadt Las Palmas sich an der entgegengesetzten Seite versteckte, unterschied man ihr gegenüber La Isleta und den Hafen von La Luz, wo die »Seamew« vor wenigen Tagen geankert hatte.
Am Fuße des Teyde breitete sich ganz Teneriffa wie auf einem Plane übersehbar aus. Das schräg einfallende Licht ließ seine Bodenerhebungen scharf erkennen. Überall zeigten sich unzählige kleine Pics, gähnten wilde Vertiefungen und öffneten sich liebliche Täler, in denen zu dieser Stunde das Leben erwachte.
»Wie schön ist das alles! seufzte Alice nach längerer Betrachtung des Bildes.
– Wie herrlich schön!« klang es von Morgan wie ein Echo zurück.
Diese wenigen, in dem allgemeinen Schweigen hinausgerufenen Worte genügten, den bisher herrschenden Bann zu brechen. Von der mächtigen Empfindung erfüllt, wendete sich der eine dem andern zu. Da bemerkte Alice erst, daß Dolly nicht bei ihnen war.
»Wo ist denn meine Schwester? fragte sie, wie aus einem Traume erwachend.
– Miß Dolly war etwas unwohl geworden, antwortete Morgan, und ist mit Herrn de Sorgues ein Stück weiter unten zurückgeblieben. Wenn Sie es wünschen, werde ich ihr noch zu Hilfe eilen.«
Morgan hatte schon eine Bewegung gemacht, davonzugehen. Alice hielt ihn mit einer Handbewegung zurück.
»Nein, sagte sie, bleiben Sie hier.«
Dann fuhr sie nach kurzem Stillschweigen fort:
»Ich bin glücklich darüber, daß wir einmal allein sind, lauteten ihre zögernden und bei ihrem entschiedenen Charakter ungewöhnlich erscheinenden Worte, ich habe mit Ihnen zu sprechen… oder Ihnen vielmehr meinen Dank abzustatten.
– Mir, Madame? rief Morgan.
Orotava. – Hafen von Santa-Cruz.
– Ja, Ihnen, versicherte Alice. Ich habe recht wohl den diskreten Schutz bemerkt, den Sie uns seit der Abfahrt von Madeira haben angedeihen lassen, und glaube auch, den Grund dazu erkannt zu haben. Dieser Schutz, das glauben Sie mir, ist mir sehr viel wert gewesen, ich will aber versuchen, Sie von Ihrer Sorge zu entlasten. Ich bin nicht ganz hilflos und weiß alles, was sich auf Madeira zugetragen hat.«
Morgan wollte etwas erwidern, Alice kam ihm jedoch zuvor.
»Nein, antworten Sie mir nicht. Ich habe ausgesprochen, was ich für unumgänglich nötig hielt, es ist aber besser, wir sehen von jener peinlichen Sache ab. Es ist ein schmachvolles Geheimnis, das nur wir beide kennen, und ich weiß, daß es treu bewahrt werden wird.«
Nach nochmaligem kurzen Stillschweigen nahm sie wieder das Wort:
»Wie hätte ich Ihre vorsorgliche Freundschaft nicht anerkennen sollen? Mein Leben ist ja jetzt gewissermaßen ein wenig Ihr Eigentum«
Morgan protestierte mit einer ablehnenden Geste.
»Würden Sie denn auch meine Freundschaft ablehnen? fragte Alice mit halbem Lächeln.
– Eine sehr kurz
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