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Das Reisebureau Thompson und Comp.

Das Reisebureau Thompson und Comp.

Titel: Das Reisebureau Thompson und Comp. Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Michel Verne
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währende Freundschaft, antwortete Morgan traurig. Nach wenigen Tagen wird das Schiff, das uns trägt, auf der Themse liegen, und jeder von uns wird dem ihm vom Schicksal vorgezeichneten Wege nachgehen.
    – Das ist wohl wahr, sagte Alice innerlich erregt. Wir werden wahrscheinlich voneinander scheiden, die Erinnerung wird uns aber bleiben.
    – Und ebenso schnell wie der Morgennebel verschwinden.«
    Die Augen auf den Horizont gerichtet, ließ Alice diese enttäuschende Antwort zuerst unerwidert.
    »Das Leben muß Ihnen grausam mitgespielt haben, sagte sie endlich, wenn Ihre Worte der getreue Ausdruck Ihrer Gedanken sind. Stehen Sie denn so allein in der Welt, um alles Vertrauen verloren zu haben? Haben Sie keine Eltern mehr?«
    Morgan schüttelte verneinend den Kopf.
    »Auch keine Freunde?
    – Die hatte ich vielleicht früher, antwortete Morgan bitter.
    – Und jetzt hätten Sie keine mehr? wandte Alice ein. Wären Sie wirklich blind genug, diese Bezeichnung Herrn de Sorgues zu verweigern, ohne von meiner Schwester und mir zu reden?
    – Von Ihnen, Madame! rief Morgan mit halberstickter Stimme.
    – Eines ist auf alle Fälle sicher, fuhr Alice fort, ohne die Unterbrechung weiter zu beachten, entgegenkommend sind Sie für die Freundschaft, die sich Ihnen anträgt, gerade nicht. Ich muß mich da wirklich fragen, ob ich da Ihnen gegenüber etwas verschuldet habe.
    – Wie wäre das möglich? fragte Morgan ernstlich verwundert.
    – Das weiß ich nicht, antwortete Alice. Es liegt aber auf der Hand daß Sie sich seit dem Ereignis, dessen ich eben Erwähnung tat, von uns auffallend zurückgezogen haben. Meine Schwester und ich, wir haben uns oft darüber gewundert, und Herr de Sorgues hat es auch nicht unterlassen können, ein Verhalten zu tadeln, für das er, wie er sagt, keine Erklärung finden könne. Hat Sie vielleicht jemand von uns, ohne daß wir es wußten, beleidigt?
    – O, ich bitte Sie, Madame! stammelte Morgan verwundert.
    – Nun, dann verstehe ich Ihr Verhalten auch nicht.
    – Weil da nichts zu verstehen ist, antwortete Morgan lebhaft. Trotz dessen, was Sie zu vermuten scheinen, bin ich derselbe geblieben wie vorher. Der einzige Unterschied zwischen der Vergangenheit und der Gegenwart liegt nur in dem Interesse, das mir ein zufälliger Umstand erworben hat und das dem bescheidenen Dolmetscher der »Seamew« doch nicht erlaubte, sich über sich selbst zu erheben.
    – Für mich sind Sie der Dolmetscher der »Seamew« aber nicht, erwiderte Alice, deren Wangen eine leichte Röte überflog. Ihre Erklärung ist unzutreffend, und das ist weder Ihrer noch meiner würdig. Gestehen Sie zu, meiner Schwester, mir und Herrn de Sorgues absichtlich aus dem Wege zu gehen?
    – Das kann ich nicht leugnen, gestand Morgan.
    – Nun, dann wiederhole ich: warum?«
    Morgan fühlte, wie ihm seltsame Gedanken durch den Kopf wirbelten. Es gelang ihm jedoch, sich zu fassen, und während er darüber schwieg, sagte er einfach:
    »Weil unsre gegenseitigen Lebensverhältnisse mir mein Verhalten vorschreiben und eine große Zurückhaltung verlangen. Könnte ich wohl verkennen, wie weit sie an Bord dieses Fahrzeuges voneinander liegen, wo wir in einer so weit voneinander abweichenden Stellung leben?
     

    »Eine sehr kurz währende Freundschaft,« antwortete Morgan traurig. (S. 343.)
     
    – Auch das ist gar keine Entschuldigung, sagte Alice etwas ungeduldig, weil es uns Dreien geziemt, von der Entfernung, die uns, wie Sie meinen, trennen soll, ein für allemal abzusehen.
    – Meine Pflicht ist es aber, mich ihrer zu erinnern, erklärte Morgan bestimmt, und nicht ein edelmütiges Gefühl der Dankbarkeit zu mißbrauchen, um mir eine Freiheit zu erlauben, die sehr verschieden gedeutet werden könnte.«
    Alice errötete und ihr Herz begann heftiger zu klopfen. Sie hatte das Bewußtsein, sich hier auf einen heißen Boden zu wagen; ein etwas, das stärker war als sie, trieb sie aber unwiderstehlich, das Gespräch, das schon anfing gefährlich zu werden, bis zum Ende durchzuführen.
    »Ich verstehe nicht recht. was Sie sagen wollen, gab sie etwas hochmütig zur Antwort, und weiß nicht, welche Beurteilungen es sind, die Sie fürchten zu müssen glauben.
    – Und wenn es nur Ihr eignes Urteil wäre, Madame! rief Morgan mehr wider Willen.
    – Mein Urteil?
    – Ja, das Ihrige, Madame. Auch außerhalb der »Seamew« sind unsre Verhältnisse doch so verschieden, daß jede Annäherung zwischen uns Verdacht erwecken könnte. Was würden andre, was

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