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Das Reisebureau Thompson und Comp.

Das Reisebureau Thompson und Comp.

Titel: Das Reisebureau Thompson und Comp. Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Michel Verne
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kümmert das aber einen systematischen Unzufriedenen? Der Charakter dieses Saunders prägte sich ja deutlich genug in seinen Gesichtszügen aus. Was man in denen las, deutete leicht genug auf einen unbelehrbaren Nörgler hin. Eine recht angenehme Natur! Er hatte doch stets – mit oder ohne Veranlassung – vorher verborgene Gründe bei der Hand, sich an Thompson zu reiben und zwischen dem General-Unternehmer und den andern Zwietracht zu säen.
    Ein halbersticktes Lachen durchlief die dünne Reihe der Tischgenossen. Thompson allein lachte nicht, und wenn er jetzt im Gesichte grün wurde, so war die Seekrankheit dafür sicherlich nicht verantwortlich zu machen.
Fußnoten
    1 Ein französisches Weinmaß von 912 Liter, nicht ganz 900 Kilogramm.
     

Fünftes Kapitel.
Aufs hohe Meer.
    Allmählich nahm das Leben am Bord seinen geordneten Gang an. Um acht Uhr gab es Tee mit Gebäck, dann rief die Glocke die Passagiere um zwölf Uhr zum zweiten Frühstück und abends um sieben zur Hauptmahlzeit.
    Thompson hatte, wie man hieraus sieht, die französischen Gewohnheiten unter dem Vorwande angenommen, daß die zahlreichen englischen Mahlzeiten während der geplanten Ausflüge doch nicht eingehalten werden könnten, und deshalb hatte er sie an Bord der »Seamew« von Anfang an nicht eingeführt.
    Keiner einzigen war dabei Gnade widerfahren, nicht einmal dem jedem englischen Magen so teuern »
five o’ clock
«. Mit Nachdruck pries er die Nützlichkeit dieser gastronomischen Revolution und behauptete, die Reiseteilnehmer dadurch nur an die Lebensweise gewöhnen zu wollen, die sie bei dem bevorstehenden Besuche der Inseln doch notgedrungen führen müßten. Eine wirklich menschenfreundliche Vorsorge, die gleichzeitig das Verdienst hatte… Kosten zu ersparen.
    Das Leben auf einem Schiffe ist zwar immer etwas eintönig, langweilig aber niemals. Immer hat man ja wenigstens das in seiner Erscheinung stets wechselnde Meer vor sich, man begegnet andern Fahrzeugen und erblickt da und dort Land, das den geometrischen Horizont unterbricht.
    Was das letztere betrifft, waren die Gäste der »Seamew« freilich etwas schlecht bestellt. Nur am ersten Tage hatte sich im Süden, von Dünsten halb verhüllt, die französische Küste bei Cherbourg gezeigt; weiterhin aber hatte sich kein fester Punkt mehr über die endlose Wasserfläche erhoben, deren beweglichen Mittelpunkt der Dampfer bildete.
    Die Passagiere schienen sich diesen Umständen jedoch recht leidlich anzupassen. Auf und ab wandelnd und ungezwungen plaudernd, vertrieben sie sich die Zeit nach besten Kräften und verließen fast niemals das Spardeck, das ihnen als Salon und öffentlicher Versammlungsplatz diente.
    Doch hier handelte es sich – wohl zu merken – nur um die nicht erkrankten Passagiere, deren Zahl sich leider nicht vergrößert hatte, seit die Zuhörerschaft Thompsons so plötzlich arg dezimiert worden war.
    Der Dampfer hatte indes keineswegs mit ernstern Schwierigkeiten zu kämpfen. Im Munde eines Seemanns verdiente das Wetter fortwährend das Prädikat: Schön. Eine bescheidne »Landratte« hat freilich das Recht, hierüber andrer Ansicht zu sein. Die »Landratten« der »Seamew« straften diesen Satz auch nicht Lügen und genierten sich nicht im geringsten, über den steifen Wind zu schimpfen, der das Meer zwar nicht aufwühlte, es aber doch spritzend an den Schiffsrumpf klatschen ließ.
    Gerechterweise muß man jedoch anerkennen, daß das Schiff diese Neckerei nicht ernst zu nehmen schien. Ob eine Welle von vorn oder von der Seite herandringen mochte, immer erwies es sich als ein gutes, ehrenhaftes Fahrzeug. Kapitän Pip hatte das wiederholt ausgesprochen, und die verschwisterte Seele in hergebrachter Haltung das Geständnis seiner vollen Zufriedenheit ebenso vernommen, wie vorher das seines Unwillens über den Nebel.
    Die nautischen Eigenschaften der »Seamew« konnten menschliche Wesen jedoch nicht daran hindern, seekrank zu werden, und der General-Unternehmer konnte das Licht seiner organisatorischen Talente nur vor einem sehr dünn gesäten Publikum leuchten lassen.
    Zu den Widerstandsfähigsten gehörte immer Herr Saunders. Er lief von dem einen zum andern, gern gesehen von allen, die sich über sein witziges Temperament belustigten. Jedesmal, wenn Thompson und er einander kreuzten, wechselten beide einen Blick aus, der einem Degenstich gleichkam. Der General-Unternehmer hatte die abfällige Bemerkung vom ersten Reisetage nicht vergessen, sondern bewahrte davon

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