Das Reisebureau Thompson und Comp.
ermöglichte – beschloß, mit ihrer Schwester eine Reise nach Europa zu unternehmen, während ihr gleichzeitig eine Ankündigung von Thompson and Co. zu Gesicht kam, die sie veranlaßte, auch an der von dem Reisebureau veranstalteten Gesellschaftsfahrt teilzunehmen. Kühner geworden, bot sich ihr Jack als Reisebegleiter an, was Alice nicht ohne Widerwillen endlich annahm. Jedenfalls mußte sie sich dazu Gewalt antun. Jack schien sich ja aber seit langer Zeit gebessert und ein regelmäßigeres Leben geführt zu haben. Vielleicht war jetzt die Stunde gekommen, ihn selbst eine Familie gründen zu lassen.
Sein Anerbieten hätte sie aber bestimmt abgelehnt, wenn ihr die Pläne ihres Schwagers bekannt gewesen wären, wenn sie ihn hätte vollständig durchschauen und erkennen können, daß Jack derselbe wie früher geblieben, vielleicht gar noch schlechter geworden, daß er ein Mensch war, der zur Erreichung eines Vermögens vor nichts mehr, weder vor leichten Streichen und offenbaren Gemeinheiten, noch vor einer etwa drohenden gesetzlichen Ahndung zurückschreckte.
Übrigens hatte sich Jack seit der Abfahrt von New York noch keine Andeutung erlaubt auf das, was er unverfroren »seine Liebe« nannte, und auch an Bord der »Seamew« war er aus seiner klugen Zurückhaltung nicht herausgetreten. Schweigsam kettete er nur seine Person an die beiden Schwestern und hütete seine Gedanken in Erwartung einer günstigen Gelegenheit. Seine Stimmung verdüsterte sich etwas, als Roger de Sorgues den amerikanischen Damen vorgestellt worden war und sich durch seine Heiterkeit und sein weltmännisches Auftreten schnell deren Gunst erworben hatte. Es beruhigte ihn jedoch einigermaßen, als er sah, daß Roger sich bei weitem mehr mit Dolly als mit deren Schwester beschäftigte.
Um die andern Gäste der »Seamew« bekümmerte er sich gar nicht; für ihn waren sie so gut wie nicht vorhanden, und Morgans Anwesenheit übersah er mit völliger Mißachtung.
Alice war weniger hochmütig. Ihre weibliche Scharfsichtigkeit ließ sie das offenbare Mißverhältnis zwischen der untergeordneten Stellung des Dolmetschers und seiner ganzen Erscheinung erkennen, ebenso wie die kühle Höflichkeit, womit er jede Anfreundung gewisser Passagiere, und vorzüglich des Roger de Sorgues, aufnahm.
»Was halten Sie dort von Ihrem Herrn Landsmann? hatte sie eines Tages Roger gefragt, der an Morgan eben einige in gewohnter Weise aufgenommene Worte gerichtet hatte. Er scheint mir von wenig umgänglicher Natur zu sein.
– Ja, er ist etwas stolz und beharrt darauf, sich seiner Stellung anzupassen, antwortete der Franzose, ohne seine offenbare Sympathie für den diskreten Landsmann zu verhehlen.
– Er muß sonst bestimmt eine weit höhere einnehmen, da er hier eine so sichre und würdige Zurückhaltung bewahrt,« erwiderte Alice einfach.
Morgan sollte aber doch bald genötigt sein, seine Zurückhaltung aufzugeben. Die Stunde nahte schon, wo er den von ihm übernommenen Verpflichtungen nachkommen mußte. Die gegenwärtige Ruhe hatte ihn seine wirkliche Stellung bisher fast vergessen lassen. Der unbedeutendste Vorfall mußte ihn aber doch daran erinnern, und dazu sollte es kommen, ehe die »Seamew« zum ersten Male Land angelaufen hatte.
Seit das Schiff über den Ärmelkanal hinausgekommen war, hatte es beständig einen westsüdwestlichen Kurs eingehalten, etwas weniger nach Süden, als es nötig gewesen wäre, um auf die Hauptgruppe der Azoren zu treffen. Der Kapitän Pip steuerte nämlich absichtlich auf deren westlichste Inseln zu, da er seine Passagiere zuerst deren Anblick genießen lassen wollte. Der Gestaltung der Umstände nach schien es freilich nicht so, als ob sie von dieser Aufmerksamkeit Thompsons einen besonderen Vorteil haben sollten.
Einzelne Worte, die ihm hierüber zu Ohren kamen, erregten die Neugier Rogers.
»Können Sie mir wohl sagen, Herr Professor, fragte er Morgan vier Tage nach der Abfahrt, welches die ersten Inseln sind, die die »Seamew« in Sicht bekommen wird?«
Morgan wurde etwas verlegen, darauf wußte er keine Antwort.
»Na na, schon gut, sagte Roger, darüber wird uns ja der Kapitän Auskunft geben. Die Azoren, glaube ich, gehören ja wohl den Portugiesen? fuhr er nach einer kurzen Pause fort.
– Hm, ja, stammelte Morgan, das glaube ich ebenfalls.
– Ich muß Ihnen gestehen, Herr Professor, daß ich von allem, was diesen Archipel betrifft, so gut wie gar nichts weiß, sagte Roger. Glauben Sie überhaupt, daß er uns
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