Das Reisebureau Thompson und Comp.
rieb sich in bedrohlicher Weise die Nase. Immer und immer wieder kehrten sich seine Augen halb schielend dem ihm von Hamilton bezeichneten Punkt zu, den dieser wenige Stunden nach der Abfahrt für einen der Berggipfel von San Miguel angesehen hatte.
Am Morgen des 28. war sein Verhalten noch dasselbe, sobald er aber auf dem Deck erschien, nahm er sein Fernrohr zur Hand und sah nach dem Punkte hinaus, von dem er sich fast gar nicht losreißen konnte.
»Tod und Teufel, wandte er sich wetternd Artimon zu, indem er das Instrument sinken ließ, da sitzen wir in einer hübschen Schlinge, mein Herr!«
Schon lange war bei ihm jeder Zweifel geschwunden. Die »Seamew« steuerte jetzt nicht geraden Weges nach Madeira. Dem Programme entsprechend, sollte vorher die Insel Porto-Santo umschifft werden, und der Weg von Ponta-Delgada nach Porto-Santo macht einen ziemlich großen Winkel mit der Fahrstraße, die Madeira mit der Hauptstadt San Miguel verbindet. Das unbekannte Fahrzeug hatte aber denselben Weg eingeschlagen, der eigentlich nirgends endete, es hielt sich jedoch bisher in der gleichbleibenden Entfernung von ungefähr vier Seemeilen. Daß es auf den Dampfer Jagd machte, unterlag jetzt keinem Zweifel mehr.
Daß die beiden Schiffe immer gleich fern voneinander blieben, gewährte ja dem Kapitän einige Beruhigung; er würde so wenigstens nicht überholt werden Doch das war schließlich kein Wunder. Das portugiesische Schiff hatte jedenfalls auch auf den Azoren Kohlen übergenommen. Immerhin mußte sich der Kapitän sagen, daß diese Fahrt doch nicht ewig so fortgehen konnte, endlich würde man nach Madeira kommen und Madeira war noch Portugal.
Seit achtundvierzig Stunden wälzte der Kapitän diese Fragen im Kopfe herum, ohne sich dafür eine befriedigende Antwort geben zu können. Wäre er der Herr gewesen, so wäre er, statt sich dem neuen Kerkermeister zu überliefern, geradeaus weitergedampft bis zur Erschöpfung der Kohlen und aller brennbaren Dinge, die sich an Bord vorfanden. Dann hätte es sich gezeigt, wer die größten Kohlenbunker hatte. Herr und Meister war er leider nur zur Hälfte, und das unter der Bedingung, die »Seamew« auf die verdammte Reede von Funchal, der Hauptstadt von Madeira, zu führen. Das erhielt ihn immer in heller Wut.
Für irgendetwas mußte man sich jedoch wohl oder übel entscheiden, als am 28. Mai Vormittag gegen zehn Uhr der Gipfel von Porto-Santo über dem Horizont aufzusteigen begann. Dem armen Kapitän blieb ja nichts andres übrig, als das Thompson zu melden, und daß er dabei die Ohren hängen ließ, braucht wohl nicht erst gesagt zu werden.
Zu seiner freudigen Überraschung wurde die Meldung nicht so schlecht aufgenommen, wie er befürchtet hatte.
»Sie glauben also, Herr Kapitän, sagte nun Thompson, daß jenes Schiff ein portugiesisches ist?
– Das glaube ich bestimmt.
– Und daß es uns verfolgt?
– Das glaube ich leider auch.
– Dann, lieber Kapitän, sehe ich nur eines, was wir zu machen haben.
– Und das wäre?…
– O, sehr einfach: zu stoppen.
– Zu stoppen?
– Mein Gott, ja freilich, Kapitän, zu stoppen.«
Der Kapitän stand bestürzt mit schlenkernden Armen und weit aufgerissenen Augen da.
»Amen, Herr Thompson,« würgte er endlich mit Mühe hervor, ohne diesmal beim Barte seiner Mutter zu schwören.
Wie ein Held befolgte er den erhaltenen Befehl. Die Schraube stand still. Die »Seamew« lag unbeweglich auf dem Meere, und die Entfernung, die sie von dem sie verfolgenden Schiffe trennte, wurde sichtbar kleiner. Das erwies sich in der Tat als ein portugiesisches Kriegsschiff, was man an dem langen Wimpel erkannte, der am Großmast flatterte. Zwanzig Minuten später war es bis auf eine Seemeile an die »Seamew« herangekommen. Da ließ Thompson ein Boot aussetzen, worin die Polizisten Platz nahmen. Pip wußte sich gar nicht zu fassen. Jetzt lieferte man also die Geiseln aus!
Der Leutnant und sechs seiner Leute hatten sich aber nicht mit ihren Kameraden eingeschifft. Das Erstaunen des Kapitäns kannte jedoch keine Grenzen mehr, als er auch diese erscheinen sah, vor allem, als er sah, welch merkwürdige Pakete sie schleppten.
Diese Pakete, menschliche Pakete, waren nichts andres als Edel Don Hygino Rodriguez da Veiga und seine zwei Brüder. Noch leidend unter den Nackenschlägen Neptuns und mehr tot als lebendig, leisteten sie nicht den geringsten Widerstand. Der Kapitän sah sie ohne Gefühl und Bewußtsein über den Bordrand hinuntersieren.
»O,
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