Das Reisebureau Thompson und Comp.
falscher Flagge, mein Lieber, gestehen Sie’s nur ein!
– Unter falscher Flagge? wiederholte Morgan.
– Jawohl; Sie haben sich in die Haut eines Cicerone-Dolmetschers gesteckt, wie man einen geliehenen Maskenanzug anlegt.«
Robert Morgan zitterte. Daß sein früherer Entschluß, diese Rolle zu spielen, richtig gewesen war, daran zweifelte er ja nicht. Doch sollte er aus falschem Stolz hier in seiner Verlassenheit die Freundschaft zurückweisen, die ihm mit so viel Vertrauen geboten wurde?
»Nun ja, es ist, wie Sie sagen, gestand er jetzt ein.
– Sapperment! entfuhr es Roger, der dem jungen Mann die Land drückte und ihn mit sich fortzog. Ich hatte es ja schon lange erraten. Ein gebildeter Mann wird seinesgleichen doch auch unter der Kohlenhaut eines Heizers erkennen. Jetzt aber, wo der Bann einmal gebrochen ist, werden Sie mir hoffentlich Ihr Vertrauen auch weiter schenken. Wie sind Sie dazu gekommen, eine solche Stellung anzunehmen?«
Morgan seufzte.
»Wäre es vielleicht… drängte Roger.
– Wäre es was denn?
– Etwa die Liebe?
– Nein, versicherte Morgan, nur die Armut.«
Roger blieb plötzlich stehen und erfaßte die Hand seines Landsmannes. Dieser Beweis von Teilnahme ging Morgan zu Herzen und rührte ihn so sehr, daß er sich ohne Zurückhaltung weiter offenbarte, als der andre fortfuhr:
»Die Armut! Nun, mein Lieber, da rechnen Sie getrost auf mich. Sein Unglück mitzuteilen, soll ja, wie man sagt, eine Erleichterung sein, und Sie werden dafür nie einen inniger teilnehmenden Zuhörer finden, als mich. Ihre Eltern?
– Sind tot.
– Alle beide?
– Ja, beide. Meine Mutter starb, als ich fünfzehn Jahre zählte, mein Vater jetzt vor sechs Monaten. Bis dahin hatte ich ein Leben wie die meisten reichen jungen Leute geführt, und erst seit dem Ableben meines Vaters…
– Ja ja, ich verstehe, unterbrach ihn Roger mitleidigen Tones. Ihr Vater war jedenfalls einer von den flotten Lebemännern, die…
– Ich beschuldige ihn nicht, fiel Morgan lebhaft ein. Zeit seines Lebens hat er sich gegen mich gütig gezeigt, immer hatte er Herz und Hand für mich offen. Im übrigen stand es ihm ja frei, sein Leben nach Belieben zu gestalten. Wie dem auch sei, jedenfalls sah ich mich binnen wenigen Tagen von allen Mitteln entblößt. Alles, was ich mein nennen zu dürfen glaubte, befand sich in den Händen der Nachlaßgläubiger, und vierzehn Tage nach dem Tode meines Vaters war für mich so gut wie nichts mehr übrig. Da hätte ich nun freilich gleich daran denken sollen, mir mein Brot zu verdienen. Leider hatte ich aber, bei meiner Ungewohnheit mit den Schwierigkeiten eines solchen Lebens, ziemlich allen Halt verloren. Statt dem Ungemach die Stirne zu bieten, in Paris zu bleiben und meine dortigen Beziehungen zu benützen, quälte mich eine törichte Scham über meine neue Lage. Entschlossen, zu verschwinden, veränderte ich meinen Namen und ging nach London, wo ich meine letzten Hilfsmittel bald erschöpft hatte. Glücklicherweise erhielt ich da einen Platz als Sprachlehrer und begann schon, mich von dem erlittenen Schicksalsschlage zu erholen und Pläne zu schmieden, zum Beispiel, nach einer französischen Kolonie zu gehen und dort neue Schätze zu erwerben, da sah ich mich plötzlich wieder auf die Straße gesetzt. Nun mußte ich wohl die erste sich mir darbietende Gelegenheit ergreifen. Diese Gelegenheit nannte sich Thompson. Da haben Sie mit kurzen Worten meine Geschichte.«
»Heiter ist die ja nicht, meinte Roger. Doch sagten Sie nicht, Sie hätten Ihren Namen verändert?
– Das ist auch wahr.
– Und Ihr wirklicher Name? So, wie wir zueinander stehen, ist mir diese Frage wohl erlaubt.«
Morgan lächelte etwas bitter.
»Mein Gott, ich habe wohl schon etwas zu viel gesagt. Ich bitte Sie nur um strengste Geheimhaltung, um mich auf dem Schiffe nicht zum Gespött der andern werden zu lassen. Ich gestehe Ihnen übrigens, daß ich diese lächerliche Umtaufe heute für einen törichten Schritt ansehe. Ich wollte aber meinen wahren Namen keinen verunglimpfenden Scherzreden aussetzen. Das erschien mir als eine Erniedrigung. Welche Dummheit! Da habe ich mich denn bemüht, einen neuen Namen zu erfinden, kam jedoch zu keinem andern Ergebnisse als dem, aus ihm ein Anagramm zu bilden.
– Also ihn zu Morgan zu verdrehen.
– Ja, zu Morgan aus dem Namen Gramon. Setzen Sie davor noch eine Partikel, die mir augenblicklich – ironisch gemeint – sehr nützlich ist, und den Titel eines Marquis, der mir
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