Das Roemische Imperium
Abhängigkeit gelöst hatten und nun zu einem eigenen Machtfaktor in Pannonien geworden waren. Aber mit den Kaisern hatte Constantinopel mehr Glück: Auf Markian folgte 457 Leo I., der zwar ein Mann von Gnaden des Heermeisters Asparus war, sich aber von ihm zu lösen verstand durch Ausgleich mit den Ostgoten und durch Schaffung einer schlagkräftigen Palasttruppe (
excubitores;
schon früher waren auch die Prätorianer so genannt worden) aus Isauriern unter ihrem Anführer
(comes)
Zeno. Dieses kriegerische Bergvolk aus Südwestanatolien galt als „barbarisch“, obwohl die Isaurier schon seit Jahrhunderten Reichsbürger waren. Zeno schaltete Asparus gewaltsam aus und heiratete die Kaisertochter Ariadne.
Salvian
Die Landnahme durch die Germanen wurde von der eingeborenen Bevölkerung nicht nur als Katastrophe erlebt. Ein Zeitkritiker wie der Theologe und Schriftsteller Salvian (* um 400-480) erklärte sich das Desaster des Imperiums vielmehr mit dem moralischen Versagen der Römer. Nicht das Christentum habe ihre Moral untergraben, sondern sie selbst seien schuld am Strafgericht Gottes, weil sie laue Christen seien. Sie hätten vor allem das Gebot der Nächstenliebe mit Füßen getreten, indem die Armen verfolgt und versklavt würden, während die Reichen gewissenlos im Luxus schwelgten. Natürlich seien die Germanen ungebildet und von „üblem Geruch“, aber sie übten untereinander Solidarität und achteten streng auf Sittlichkeit. Insbesondere die Vandalen stellt Salvian als Muster dar; sie hätten die völlig verkommene Provinz Africa gereinigt und die römische Bevölkerung sittlich aufgerichtet
.
Mit den Goten war ein Arrangement dahingehend gelungen, dass sie 457 den sechsjährigen Königssohn Theoderich aus dem Geschlecht der Amaler (in der Sage: Amelungen) als Geisel an den Kaiserhof abgaben und dafür Jahrgelder erhielten. Der junge Gote genoss eine vorzügliche Ausbildung und wurde von Kaiser Leo I. 473 zu seinem Volk zurückgeschickt, das er im oströmischen Sinne beeinflussen sollte. Kurz darauf verschied Leo 474 und hinterließ als legitimen Erben nur den minderjährigen Enkel Leo II., Sohn des Zeno und der Ariadne. Das kaiserliche Kind berief auf Rat seiner Großmutter Verina und seiner Mutter den Vater zum Mitregenten, der beim Tod Leos noch im selben Jahr die Alleinherrschaft übernehmen wollte. Zunächst scheiterte er an Vorurteilen gegen ihn als „Barbaren“ und an einer Intrige der Schwiegermutter Verina, die ihren Bruder Basilikos als Herrscher installieren wollte. Zeno musste nach Antiochia ins Exil.
Das Kaiserchen
Nach zwanzig Monaten hatte Basilikos abgewirtschaftet; Zeno konnte mit seiner isaurischen Palasttruppe im August 476 zurückkehren, ohne auf nennenswerten Widerstand zu treffen; das ihm entgegengesandte Korps lief zu ihm über. Zeno übernahm die Herrschaft (bis 491) in einer Zeit, als im Westen die Machtbalance zugunsten der Germanen kippte. 475 hatte dort der Heermeister Orestes seinen 14-jährigen Sohn Romulus zum Kaiser ausrufen lassen, der wegen seiner Jugend als Augustulus (Kaiserchen) bespöttelt wurde. Gegen ihn erhob sich 476 Odoaker (* um 433), ein hunnisch-germanischer Adliger, dessen Forderung nach Land für seine Veteranen von Orestes zurückgewiesen worden war. Er setzte sich gegen Orestes in einer Schlacht durch und dessen Sohn als letzten weströmischen Kaiser ab. Er selbst übernahm die West-Regierung und nannte sich selbstbewusst
rex Italiae
(König von Italien).
Sie verhalf dem Isaurier Zeno auf den Thron: Ariadne, Tochter Kaiser Leos I., heiratete den Befehlshaber der Palasttruppe und machte so aus dem „Barbaren“ einen hoffähigen Mann (um 500 geschaffene Elfenbeinschnitzerei, Teil eines Diptychons)
.
(c) akg, Berlin
Ostgoten gegen den Westen
Odoakers Herrschaft und Theoderichs Vormarsch (476-493)
Ging mit dem Jahr 476 das Weströmische Reich unter? So steht es in den meisten Geschichtsbüchern. Es gilt aber zu bedenken, dass die Zeitgenossen die Ereignisse zunächst nicht so deuteten und dass auch Odoaker selbst Italien keineswegs aus dem Reichsverband zu lösen gedachte. Er ließ vielmehr durch eine Senatsdelegation die Insignien des Westkaisers
(ornamenta palatii)
an Ostkaiser Zeno überstellen und signalisierte so, dass er diesen als Herrscher über das Gesamtreich betrachtete. Einen neuen Kaiser für den Westen hätte er allerdings auch nicht akzeptiert; ihm schwebte die Position eines Reichsverwesers in kaiserlichem Auftrag vor. Dafür erbat
Weitere Kostenlose Bücher