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Das Rote Kornfeld

Das Rote Kornfeld

Titel: Das Rote Kornfeld Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Mo Yan
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Patronenhülsen einzusammeln.»
    Die Männer verteilten sich über das Schlachtfeld, um nach Patronenhülsen zu suchen, und viele der Leichen, die sie begraben wollten, wurden im Kampf zwischen den aasenden Hunden und den überlebenden Menschen zerrissen.
    «Wir befinden uns in einer entsetzlichen Lage, Kommandant Yu», sagte Jiang. «Wir haben weder Waffen noch Munition, und für fünf von zehn Hülsen, die wir zum Nachfüllen in die Munitionsfabrik in der Sonderzone bringen, kriegen wir Nieten zurück. Wir stecken zwischen Pockennarbe Leng, der Druck auf uns ausübt, und den Marionettentruppen, die uns umbringen wollen. Ihr müsst uns einfach etwas von den Waffen abgeben, die ihr da habt. Macht keine Fehler und verachtet das Jiao-Gao-Regiment nicht.»
    Großvater blickte auf die Männer, die im Hirsefeld Leichen bargen, und sagte: «Ihr könnt die Säbel, die . 79er Karabiner und die einfachen Handgranaten haben.»
    Jiang ergriff Großvaters Hand und rief aus : «Kommandant Yu, du bist ein echter Freund. Einfache Handgranaten mit Holzgriff können wir aber selber herstellen. Wie wäre es damit: Ihr behaltet die Handgranaten und gebt uns dafür ein paar .38er Gewehre?»
    «Nein», sagte Großvater kurz angebunden.
    «Nur fünf Stück.» «Nein.»»
    «Drei Stück. Wie wär’s damit? Nur drei Stück.»»
    «Nein.»»
    «Also zwei. Zwei könnt ihr wirklich entbehren.»»
    «Scheiße»», sagte Großvater, «du feilschst wie ein Viehhändler.»
    «Trupp Nummer eins, antreten zum Waffenempfang!»
    «Nicht so eilig»», sagte Großvater, «bleibt da drüben stehen.»»
    Eigenhändig überreichte er die vierundzwanzig tschechischen .79er und die leinenen Patronengurte. Einen Augenblick zögerte er, dann händigte er auch noch ein .38er Repetiergewehr aus.
    «Das war’s»», sagte er. «Die Säbel behalten wir.»»
    Kommandant Jiang beschwerte sich: «Kommandant Yu, ihr habt uns zwei . 3 8er versprochen.»
    «Noch ein Wort von dir»», sagte Großvater gereizt, «und ihr kriegt nicht einmal das eine.»»
    Mit erhobenen Händen sagte Kommandant Jiang: «Schon gut, schon gut, reg dich bloß nicht auf.»
    Als sie die Waffen entgegennahmen, grinsten die Soldaten des Jiao-Gao-Regiments über das ganze Gesicht. Ein paar Mitglieder des Beerdigungskommandos fanden bei ihrer Arbeit zusätzliche Waffen. Sie hoben auch die automatische Pistole auf, die Großvater weggeworfen hatte, und den Browning, von dem sich Vater getrennt hatte. Ihre Taschen quollen über von Patronenhülsen. Ein kleiner dunkelhäutiger Soldat mit einer Hasenscharte kam mit zwei Maschinengewehrläufen unter dem Arm angerannt. «Kommandant Jiang»», sagte er, «ich habe ein paar Kanonen gefunden.»
    «Kameraden»», sagte Jiang, «beeilt euch und begrabt die Toten. Wir müssen uns zurückziehen, bevor die Japaner wiederkommen, um ihre Toten einzusammeln. Wenn es zum Kampf kommt, um so besser. Hasenscharte, nimm die beiden Läufe auf die Schulter. Wir bringen sie zur Reparatur in die Munitionsfabrik.»
    Während das Jiao-Gao-Regiment vor der Mauer antrat, erschienen auf der Straße am Ostende des Dorfs ein paar Dutzend Fahrräder. Die Räder glänzten, die Speichen funkelten. Kommandant Jiang erteilte einen Befehl, und die Soldaten warfen sich auf beiden Seiten der Mauer zu Boden, während die Radfahrer sich schwankend Großvater näherten. In ihren sauberen grauen Uniformen mit Gamaschen und Stoffschuhen boten sie einen beeindruckenden Anblick.
    Es war Lengs mobiler Zug, eine Spitzengruppe von pistolenbewehrten Radfahrern. Pockennarbe Leng galt als erstklassiger Radfahrer, der zweieinhalb Kilometer auf einer Eisenbahnschiene fahren konnte. Kommandant Jiang erteilte einen neuen Befehl, und die Truppen des Jiao-Gao-Regiments tauchten aus ihrem Versteck unter den Bäumen auf und schlossen sich hinter Großvater zusammen.
    Zugführer Lengs Leute stiegen ab und schoben ihre Räder auf der Mauerkrone entlang. Von Leibwächtern umgeben, tauchte Leng selbst aus der Menge auf.
    Schon beim Anblick von Pockennarbe Leng griff Großvater zur Pistole.
    «Ruhig, Kommandant Yu», warnte ihn Kommandant Jiang, «ganz ruhig!»
    Mit breitem Lächeln näherte sich Zugführer Leng und schüttelte Kommandant Jiang die Hand, ohne den Handschuh auszuziehen. Jiang, der ebenfalls über das ganze Gesicht lächelte, griff in seine Hose und zog eine fette hellbraune Laus heraus, die er in den Graben warf.
    Zugführer Leng sagte zu ihm: «Eure hochzuverehrende Einheit ist wirklich auf der

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