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Das Rote Kornfeld

Das Rote Kornfeld

Titel: Das Rote Kornfeld Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Mo Yan
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Dass sie Pflegekind des Richters war, war wohl mit ein Grund dafür, dass er sich hatte betrügen lassen. So übertrug er seinen Hass auf Richter Cao zugleich auf sie. Wer weiß, ob die beiden ihn nicht gemeinsam in die Falle gelockt hatten. Das, was Lian’er zu erzählen hatte, ließ den Verdacht sogar wahrscheinlich erscheinen.
    «Geliebter»», sagte sie, «vielleicht hast du sie nie vergessen, aber sie hat nicht lange gebraucht, um dich zu vergessen. Als sie dich auf den Zug geladen hatten, ist sie mit Schwarzauge, dem Anführer der Eisengesellschaft, mitgegangen und hat monatelang an der Salzwassermündung mit ihm zusammengelebt. Sie ist immer noch nicht wieder zurück.» Lian’er massierte seine Brust, während sie ihm davon erzählte. Der Anblick ihres unersättlichen dunklen Körpers weckte Widerwillen in ihm, und seine Gedanken schweiften von einem dunklen Körper zu einem Körper, der so weiß gewesen war wie neuer Schnee. Er dachte an den schwülen Nachmittag zurück, an dem er sie im dichten Schatten des Hirsefeldes auf seinen Mantel aus Stroh gelegt hatte.
    Großvater wälzte sich auf die Seite. «Ist meine Pistole noch da?»»
    Lian’er schlang die Arme um ihn. «Was hast du vor?» fragte sie ängstlich.
    «Ich werde diese Schweinehunde umbringen.»
    «Zhan’ao! Mein Geliebter! Du kannst nicht ständig Leute umbringen, überleg doch nur, wie viele du schon getötet hast!»
    Er stieß ihr den Fuß in den Bauch. «Halt den Mund», knurrte er, «und gib mir meine Pistole!»
    Verletzt begann sie zu schluchzen, während sie den Saum des Kissens aufriss und seine Pistole herausholte.
    Großvater saß auf seinem schwarzen Pferd; er hielt Vater auf dem Schoß und folgte Wuluan, dem jungen Soldaten der Eisengesellschaft, der den Kopf voller Pläne hatte. Auch nachdem er lange Zeit mit ruhigem Blick über die stumpfen grauen Wasser des Salzwasserflusses und die weite weiße Salzebene hinausgeschaut hatte, die sich an seinen Ufern hinzog, hatte sich die Aufregung über das Gespräch mit Wuluan nicht ganz gelegt. Und doch musste er an seinen Kampf mit Schwarzauge an den Ufern des Salzwasserflusses denken.
    Die Pistole unter dem Arm, war Großvater den ganzen Vormittag auf seinem laut schreienden Esel geritten. Als er die Salzwassermündung erreichte, band er den Esel an eine Ulme am Ortseingang und ließ ihn an der Baumrinde nagen. Dann zog er sich die zerschlissene Filzmütze über die Augenbrauen und stolzierte ins Dorf. Es war ein großes Dorf, aber Großvater marschierte geradewegs auf eine Reihe hoher ziegelgedeckter Gebäude zu, ohne nach dem Weg zu fragen. Der Winter war im Anzug, und ein paar Kastanienbäume neigten sich mit gelben Blättern im Wind. Es war kein Sturm, aber der Wind war schneidend scharf wie ein Messer.
    Er marschierte in den Hof vor dem Gebäude, wo sich die Eisengesellschaft versammelte. An der Wand einer weiten Halle mit steinernem Fußboden hing das große bernsteinfarbene Gemälde eines seltsamen alten Mannes, der auf einem wilden gefleckten Tiger ritt. Auf einem Altar unter dem Gemälde lagen merkwürdige Gegenstände. Es dauerte ein wenig, bis er sie als eine Affenpfote, einen Hühnerschädel, die getrocknete Gallenblase eines Schweins, einen Katzenkopf und einen Eselshuf identifiziert hatte. Weihrauchduft stieg in die Luft auf. Ein Mann mit einem Warzenring um das eine Auge saß auf einer dicken kreisförmigen Eisenplatte, rieb sich mit der linken Hand den glattrasierten Schädel über der Stirn und bedeckte mit der Rechten die Arschritze. Laut psalmodierend intonierte er seine Beschwörung: «Amalai, amalai, eiserner Kopf, eiserner Arm, Altar des eisernen Geistes, eiserne Sehne, eiserner Knochen, zinnoberroter Altar von Eisen, eisernes Herz, eiserne Leber, eiserne Lunge, Altar von rohem Reis, zur eisernen Schranke geschmiedet, eisernes Messer, Gewehr von Eisen, kein Ausweg mehr, eiserner Urahn auf eisernem Tiger erlässt sein Gebot, amalai, amalai, amalai ...»
    Großvater erkannte Schwarzauge, den berüchtigten Dämon und Räuber der Gemeinde Nordost-Gaomi.
    Als er seinen Gesang beendet hatte, stand Schwarzauge auf und verbeugte sich dreimal vor dem eisernen Urahn auf seinem Tiger. Dann kehrte er zu seinem Eisensitz zurück, setzte sich und hob zwei Fäuste so, dass alle zehn Fingernägel nach innen gekehrt und verborgen waren. Er nickte den Soldaten der Eisengesellschaft zu. Mit der linken Hand griffen sie an ihre ausrasierte Stirn, bedeckten die Arschritze mit der Rechten,

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