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Das Rote Kornfeld

Das Rote Kornfeld

Titel: Das Rote Kornfeld Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Mo Yan
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Bank.
    Der fette alte Mann rührte sich nicht. Außer seinen Augen bewegte sich auf der Bettstatt nichts.
    «Wirt!» rief Yu Zhan ’ao.
    Der fette alte Mann schlug das Hundefell zurück, mit dem er sich zugedeckt hatte, und kletterte vom Bett. Er hatte auf einem weißen Hundefell gelegen und sich mit einem schwarzen zugedeckt. Yu Zhan’ao sah noch drei weitere Felle, die an der Wand hingen: ein grünliches, ein blauschimmerndes und ein geflecktes.
    Der fette alte Mann nahm eine dunkelrote Trinkschale von der Theke und füllte sie mit Hirsebrand.
    «Was gibt es zu essen?» fragte Yu Zhan’ao.
    «Hundekopf», grunzte der alte Mann.
    «Ich will aber Hundefleisch.»
    «Ich habe nur Kopf.»
    «Also gut, dann eben Kopf.»
    Der alte Mann lüpfte den Deckel von einem Topf, in dem ein ganzer Hund kochte.
    «Ich will Fleisch», wiederholte Yu Zhan’ao.
    Der alte Mann ignorierte ihn, griff nach seinem Beil und hackte so kräftig auf den Hundehals ein, dass die glühendheiße Suppe durch die Gegend spritzte. Er hackte den Kopf ab, steckte ihn auf einen Metallspieß und reichte ihn über die Theke. Yu Zhan’ao packte die Wut. «Ich habe gesagt, Fleisch!»» brüllte er.
    Der alte Mann warf den Hundekopf auf die Theke und knurrte: «Das ist alles, was ich habe. Wenn es dir nicht passt, lass es eben bleiben!»»
    «Was glaubst du eigentlich, wen du vor dir hast?»
    «Sei ruhig und halt den Mund wie ein braver kleiner Junge»», fuhr ihn der alte Mann an. «Wie kommst du darauf, dass dir das Hundefleisch zustehen könnte? Das hebe ich für Blatternacken auf.»»
    Blatternacken war der gefürchtete Anführer einer Räuberbande in Nordost-Gaomi, und schon sein Name flößte Yu Zhan’ao Furcht ein. Blatternacken galt als der beste Schütze der Gegend. Die Art, wie er mit kreisender Handbewegung drei Schüsse hintereinander abfeuern konnte, hatte ihm den Spitznamen «Phönix, der dreimal nickt»» eingetragen. Leute, die etwas von Feuerwaffen verstanden, konnten allein am Klang der Schüsse merken, dass Blatternacken in der Nähe war. Yu Zhan’ao zügelte sich und sagte nichts mehr. Die Trinkschale in der einen Hand, holte er sich mit der anderen den Hundekopf. Er trank einen Schluck und blickte dem Hund ins Auge. Das Hundeauge blickte, obgleich es gargekocht war, noch immer schlau und bösartig zurück. Yu Zhan’ao schaute auf das wütende geöffnete Maul und biss kräftig in die Nase. Sie war köstlich, und Yu Zhan’ao war halb verhungert. Er schlang in sich hinein, ohne sich Zeit zu lassen, das Fleisch zu genießen. Er lutschte die Augen aus, schlürfte das Hirn, kaute die Zunge und nagte an den Backen. Mit einem letzten Blick auf den abgenagten Schädel stand er auf und rülpste.
    «Einen Silberdollar»», sagte der fette alte Mann.
    «Ich habe nur sieben Kupferstücke»», sagte Yu Zhan’ao und warf die Münzen auf den Tisch.
    «Ich habe gesagt: einen Silberdollar!»»
    «Und ich habe gesagt: Ich habe nur sieben Kupferstücke.»
    «Glaubst du, du kannst hier essen, ohne zu bezahlen, Junge?»
    «Ich habe aber nur sieben Kupferstücke.»
    Yu Zhan’ao stand auf und wollte gehen, aber der fette alte Mann kam hinter der Theke hervorgeschossen und hielt ihn fest. Während sie noch kämpften, stolzierte ein hochgewachsener, stämmiger Mann in das Lokal.
    «He, Koreaner, warum brennt deine Laterne nicht?» fragte er.
    «Der Typ hier glaubt, er könne essen, ohne zu bezahlen.»
    «Schneid ihm die Zunge ab»», sagte der Mann mit finsterer Stimme, «und zünde die Laterne an.»
    Der fette alte Mann ließ Yu Zhan’ao los und ging hinter die Theke zurück. Er schürte das Feuer und zündete eine Öllampe an. Glitzerndes Licht fiel auf das dunkle Gesicht des Fremden. Yu Zhan’ao sah, dass er von Kopf bis Fuß in schwarzen Samt gekleidet war. Er trug eine Jacke mit stoffbezogenen Knöpfen, weite Hosen, deren Beine an den Knöcheln mit schwarzen Baumwollbändern abgebunden waren, und schwarze Stoffschuhe mit doppelten Schnallen. Auf seinem langen breiten Nacken sah man einen faustgroßen weißen Flecken. Das, dachte Yu Zhan’ao, muss Blatternacken sein.
    Blatternacken musterte Yu Zhan’ao nachdenklich, streckte dann die linke Hand aus und berührte mit drei Fingern seine Stirn. Yu Zhan’ao sah ihn verwundert an.
    Blatternacken schüttelte missbilligend den Kopf und sagte: «Du bist kein Bandit?»»
    «Ich bin Sänftenträger bei der Hochzeits- und Beerdigungsgesellschaft.»»
    «Du verdienst dein Geld also mit einer

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