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Das rote Licht des Mondes: Historischer Kriminalroman (German Edition)

Das rote Licht des Mondes: Historischer Kriminalroman (German Edition)

Titel: Das rote Licht des Mondes: Historischer Kriminalroman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Silvia Kaffke
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über die Chaussee von Meiderich herüberkommen können.
    «Lassen Sie uns zurückgehen. Vielleicht hat der Doktor seine Obduktion schon beendet.»

    Linas Vater hatte schon den ganzen Morgen stark gehustet. Lina hatte ihm Tee eingeflößt und die Köchin angewiesen, eine Hühnersuppe zu kochen. Als sie nach dem Gespräch mit Borghoff wieder in sein Zimmer kam, merkte sie an seinem geröteten Gesicht, dass er Fieber bekommen hatte. Sie hatte den Hausknecht zum Doktor geschickt, der kam aber unverrichteter Dinge zurück, der Doktor sei außer Haus und kehre erst nachmittags zurück, richtete er aus.
    Die Leichenschau , dachte Lina. So sah sie noch häufiger als sonst nach dem Vater und achtete auf jedes Anzeichen für ein Steigen des Fiebers. Bis jetzt hielt er sich aber ganz gut, lag nur matt in den Kissen und schlief immer wieder ein.
    Lina nutzte diese Zeit, um mit der Schwägerin die weitere Woche im Hause Kaufmeister zu besprechen. Aaltje erwartete am Nachmittag den Pfarrer zu Besuch, am nächsten Tag mehrere Damen. Für den Pfarrer sollte Finchen in der Bäckerei etwas feines Gebäck kaufen, für die Damen würde Helene einen ihrer vorzüglichen Birnenkuchen backen. Der Boden des Salons und der des Entrees wurden bereits von den Mädchen auf Knien geschrubbt.
    «Das Tischtuch müssen wir wechseln, aber erst nach dem Mittagessen», sagte Lina. Die zusätzliche Putzarbeit der Mädchen brachte ihre wohldurchdachten Haushaltspläne durcheinander.
    «Der Pfarrer hätte Sie auch graag dabei, Schwägerin», sagte Aaltje. Für ihre Begriffe reichte Linas sonntäglicher Kirchgang nicht aus, um ihre Seele zu retten. Aaltje missbilligte auch ihre Lektüre. Für sie gab es nur ihre holländische Bibel und die Anleitungen für ihre Stickereien.
    «Der Vater ist krank, und ich muss häufiger nach ihm sehen. Und einen weiteren Vortrag über Gottes Prüfungen kann ich ehrlich gesagt nicht mehr ertragen.» Gottes Prüfungen – das waren Aaltjes tote Kinder und Linas steife Hüfte. Auch wenn sie ihre Schwägerin nicht übermäßig mochte – weder Aaltje noch sie hatten solche Prüfungen verdient.
    «Aber auch Sie bedürfen Gottes Trostes!» Diese deutsche Formulierung hatte sich Aaltje gut eingeprägt.
    «Wenn Ihnen die Nachmittage mit dem Pfarrer Trost bringen, liebe Schwägerin, dann freue ich mich für Sie. Mich halten sie von meiner Arbeit ab. Also bitte entschuldigen Sie mich bei ihm. Wenn ich die Zeit finde, werde ich ihn kurz begrüßen.»
    Sie stand auf, um mit der Köchin den Speiseplan zu besprechen. «Im Übrigen ist es Gott wohlgefällig, fleißig und hart zu arbeiten, Aaltje.»
    Aaltje wurde rot und griff nach ihrem Stickrahmen. Wenn sie erst wieder schwanger war, konnte sie guten Gewissens der tüchtigen Lina zusehen, wie sie den Haushalt regierte.

    Am Nachmittag kam dann Dr.   Feldhaus zu den Kaufmeisters. Das Fieber des Vaters war nicht gestiegen, aber jedes Husten brachte seinen ganzen Körper in ungewollte Bewegung. Feldhaus verordnete ein Husten- und ein Beruhigungsmittel für die Nacht. Lina sollte weiter darauf achten, dass das Fieber nicht stieg.
    Der Doktor war ein alter Freund des Vaters.
    «Die Schüttellähmung hat sich weiter verschlimmert, nicht wahr?», fragte Lina. «Ich merke das meist nicht gleich, weil ich so viel mit ihm zusammen bin.»
    Der Doktor nickte. «Aber er hält sich trotzdem noch sehr gut. Es ist jetzt acht Jahre her, seit sich das erste Zittern zeigte. Die meisten anderen meiner Patienten, die an dieser Krankheit litten, sind schneller gestorben.»
    «Er hatte immer eine gute Konstitution», sagte Lina. «Und er hat lange dagegen angekämpft.» Bis Anfang des vergangenen Jahres hatte sich der Vater fast täglich ins Kontor geschleppt. Erst mit dem Umzug in das neue Haus, das zehn Minuten vom Kontor entfernt lag, hatte er das Tagesgeschäft Georg und Bertram allein überlassen, aber immer noch alle wichtigen Vertragsabschlüsse selbst geprüft. Erst seit wenigen Wochen schien ihm das Geschäft immer gleichgültiger zu werden.
    «Fräulein Lina, ich weiß, dass ich Ihnen das schon seit fast drei Jahren sage, aber es kann jederzeit mit ihm zu Ende gehen.»
    Der ehemals verwitwete Dr.   Feldhaus hatte einmal um Linas Hand angehalten, aber sie hatte damals den Vater davon überzeugt, dass sie sich besser um ihn kümmern konnte, wenn sie im Hause bliebe. Nicht dass sie den Doktor nicht gemocht hätte, aber er war zu streng und zu traditionell in seinen Ansichten über das, was sich

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