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Das rote Licht des Mondes: Historischer Kriminalroman (German Edition)

Das rote Licht des Mondes: Historischer Kriminalroman (German Edition)

Titel: Das rote Licht des Mondes: Historischer Kriminalroman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Silvia Kaffke
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Menschen wie noch nie hier, wie sollen zwei Polizisten, die paar Polizeidiener und die kleine Bürgerwehr das auch bewältigen …» Lina wusste, das war kein Trost.
    Borghoff blieb stehen und sah sie an. «Diese Morde haben nichts mit den fremden Arbeitern zu tun, Fräulein Kaufmeister. Und auch, wenn ich jetzt wieder ganz am Anfang stehe, ich werde nicht ruhen, bis sie aufgeklärt sind.»
    Den Rest des Weges, bis sich Borghoff von ihr trennte, um zum Rathaus zu gehen, schwiegen sie.

Zweiter Teil
    4. April 1855

1. Kapitel
    Es war ein recht ruhiger Morgen im Hause Kaufmeister gewesen. Seit dem Tod des Vaters hatten Linas tägliche Pflichten abgenommen. Manches übernahm auch Mina, die immer noch sehnsüchtig auf Nachricht aus London wartete, endlich ihrem geliebten Justus folgen zu können. Die ganze Familie Bleibtreu lernte eifrig Englisch, womit sich Linas Freundin Luise ein paar Thaler dazuverdiente.
    Doch Minas Eifer, sich an den Hausfrauenpflichten zu beteiligen, hatte zumindest an den Nachmittagen deutlich nachgelassen. Mina war wieder heimisch im alten Kreis ihrer Freundinnen, machte häufig Besuche, auch Abendeinladungen waren nicht selten. Einerseits freute sich Lina für ihre Schwester, denn all dies bedeutete, dass die Wunden, die das menschenunwürdige Leben in Brüssel ihr geschlagen hatten, nun zu verheilen begannen. Andererseits spürte sie manchen Stich, wenn Mina, nun wieder lachend und strahlend, ihr, der nüchternen, praktischen und scharfzüngigen alten Jungfer, vorgezogen wurde.
    Linas Hoffnung, das Haus verlassen und eine eigene kleine Wohnung beziehen zu können, hatte sich indes nicht erfüllt. Sie hatte Georg das vom Vater unterzeichnete Papier gezeigt und ihr Erbe gefordert, doch der Bruder hatte nur gelacht. Solange Lina eine Familie hatte, die für sie sorgen konnte, war sie unmündig, ganz gleich, was das Schriftstück des Vaters sagte. Aber da er seine dickköpfige Schwester kannte, sorgte er vor und hielt das Erbe nun unter Verschluss. Es sei in der Firma festgelegt, behauptete er, und sie könne dann in ein paar Jahren von den Gewinnen profitieren, die er in ihrem Namen wieder anzulegen gedenke. Und dann hatte Georg vorsichtshalber auch den größten Teil von Linas Jahresrente aus dem Vermögen der Mutter einbehalten – nur um sicherzugehen, dass Lina nicht auf «dumme Gedanken» kam. Auf Linas Protest hatte er so jähzornig reagiert, es hätte nicht viel gefehlt, und er hätte sie geschlagen, wenn Mina ihn nicht davon abgehalten hätte. Lina brütete oft darüber, wie sie bekommen konnte, was ihr zustand, aber es schien keinen Weg zu geben, ihren Bruder dazu zu bringen.
    Jetzt am frühen Nachmittag, als Aaltje ihren Mittagsschlaf hielt, Mina die Kinder bei den Hausaufgaben beaufsichtigte und Georg nach dem Essen ins Kontor zurückgekehrt war, hatte Lina es sich auf dem Sofa im Salon gemütlich gemacht und blätterte in Heines Romanzero , den sie sich aus der reichhaltigen Bibliothek Baron von Sannbergs ausgeliehen hatte. Georg sah es nicht gern, wenn sie die Bücher des vaterlandslosen Gesellen las, aber von Sannberg besaß alle seine Werke.
    Die Bande zwischen den Familien waren fester geworden in den letzten Monaten, Gustes Töchter und die jungen Baronessen waren Freundinnen geworden, und oft wurde Lina als Anstandsdame bemüht, wenn die Mädchen Einkäufe machten oder Theaterveranstaltungen besuchten.
    Sogar nach Cöln waren sie vor einigen Wochen gefahren. Lina hatte diesen Ausflug genutzt, um sich in den Modesalons die neuesten Schnitte und Stoffe anzusehen. Während Diotima und Beatrice viel Geld für neue Kleider ausgaben, hielten sich Friederike und Emma zurück und erstanden nach Linas guten Ratschlägen nur ein paar Stoffe, die in Ruhrort oder Duisburg nicht zu kaufen waren. Sie wussten, dass die Tante ihnen daraus Kleider schneidern würde, die denen der Baronessen in nichts nachstanden.
    Lina gönnte sich einen Hut in neuer Form, die die Schute allmählich abgelöst hatte. Getragen hatte sie ihn in Ruhrort noch nicht, er erschien ihr zu verwegen für eine züchtige Protestantin, doch im kommenden Sommer würde er zu einem hellen Kleid vorzüglich aussehen.
    Wenn sie den Baron zusammen mit ihren Nichten besuchte, führten sie oft lange Gespräche, während die Mädchen im oberen Stockwerk des kleinen Hauses Kleider probierten, sich gegenseitig Poesie vorlasen oder über die jungen Herren klatschten, in die sie sich während der winterlichen Ballsaison verliebt

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