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Das rote Zimmer

Titel: Das rote Zimmer Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Nicci French
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angefangen hatte, konnte ich nicht mehr aufhören. Sie wirkten alle ziemlich befangen.
    Ihre Hände waren schlaff und von der Hitze im Raum schweißnass.
    »Danke, dass ihr bereit seid, mit mir zu reden.« Ich setzte mich auf den Boden, zog eine Schachtel Zigaretten heraus, die ich extra zu diesem Zweck mitgebracht hatte, und reichte sie herum. Sie nahmen jeder eine, auch wenn sie zum Teil bereits eine angesteckt hatten. »Wie wär’s, wenn ihr mir erst mal verratet, wie ihr heißt?«
    »Spike«, sagte der kahl geschorene Junge.
    Die anderen prusteten los. Ein Witz, den ich nicht verstand.
    »Laurie.« Das war der haarige Junge.
    »Carla«, sagte das schwarze Mädchen, das rechts von mir saß, mit ganz leiser Stimme.
    »Catrina.« Sie hatte die schlimmste Akne, die mir je untergekommen war, aber eine schöne rote Haarmähne.
    »Sylvia.« Das war das Mädchen mit den grünen Augen.
    Sie lächelte wissend. »Zumindest nenne ich mich selbst so.«
    »Ich werde versuchen, mir alle zu merken. Will hat euch wahrscheinlich gesagt, warum ich hier bin. Ich möchte so viel wie möglich über Lianne in Erfahrung bringen, denn je mehr wir wissen, desto größer wird die Chance, ihren Mörder zu erwischen. Wenn wir beispielsweise herausfinden könnten, woher sie ursprünglich kam und wie ihr wirklicher Name war, dann könnte das sehr hilfreich sein.« Eisernes Schweigen. »Aber darüber hinaus«, fuhr ich fort, »möchte ich einfach wissen, was für eine Art Mensch sie war.«
    »Will hat gesagt, Sie sind in Ordnung«, meinte Spike. Er ließ den Satz wie eine Frage klingen.
    »Er meint damit, dass Sie mit den Dingen, die wir Ihnen sagen, nicht zu den Bullen rennen werden«, fügte Sylvia hinzu.
    »Was nicht heißen soll, dass wir Ihnen etwas sagen werden. Der anderen haben wir auch nichts erzählt.«
    »Welcher anderen?«
    »Sie sind nicht die Erste.«
    »Die Polizei hat schon mit euch gesprochen?«
    Sylvia zuckte mit den Achseln, und im Raum machte sich eine Art verlegene Stille breit, die nur durchbrochen wurde, als Spike sich mit einem Zündholz eine weitere Zigarette anzündete.
    »Jedenfalls«, verkündete ich schließlich, »werde ich der Polizei nichts sagen, was nicht direkt mit Lianne zusammenhängt. In Ordnung?« Allgemeines zustimmendes Grunzen. »Wisst ihr, wie lange sie hier war? In dieser Gegend, meine ich.«
    »Will hat gesagt, etwa fünf Monate«, antwortete Spike.
    Ich wünschte, das hätte er mir auch gesagt.
    »Wer von euch hat sie als Letzter gesehen, was meint ihr?«
    »Wahrscheinlich ich.« Carla vermied es, mich anzusehen. Sie sprach zu ihren gefalteten Händen.

    »Was habt ihr zusammen gemacht?«
    »Wir sind einfach herumgeschlendert, haben in die Schaufenster geschaut und darüber geredet, was wir uns kaufen würden, wenn wir Geld hätten. Klamotten und gutes Essen, alles Mögliche. CDs. Wir hatten aber kein Geld, außer Lianne –« Sie hielt inne.
    »Ja?«
    »Sie war eine ziemlich gute Taschendiebin«, mischte sich Laurie in bewunderndem Ton ein. »Sie konnte ihre Hand in jede Tasche gleiten lassen. Sie und Daisy haben oft gemeinsam die U-Bahn unsicher gemacht. Ein wildes Paar! Die eine hat jemanden angerempelt, die andere die Geldbörse geklaut.«
    »Cool«, meinte Spike.
    »Daisy Gill?«, fragte ich.
    »Ja, die, die sich umgebracht hat.«
    »Wie habt ihr beide euch kennen gelernt?«, wollte ich von Sylvia wissen.
    »Hier. Sie war eigentlich ziemlich schüchtern.
    Zumindest hat sie …« – sie rümpfte ihre kleine Nase und schob sich das blonde Haar umständlich hinter die Ohren
    – »… nicht viel gesprochen. Jedenfalls nicht über sich selbst, falls es Ihnen darum geht. Sie hat nie gesagt, wo sie eigentlich herkam. Ich wette aber, irgendwo aus London.
    Sie hat sich in der Stadt wirklich gut ausgekannt.«
    »Ich wette, sie war jahrelang im Heim«, meldete sich Catrina zu Wort.
    »Wieso glaubst du das?«
    »Das merkt man. Ich bin ihr nur einmal begegnet. Hier, genau wie Sylvia, vor ein paar Monaten. Wir spielten Tischtennis. Sie war ziemlich schlecht und stürmte beleidigt davon, als jemand von den anderen sie deswegen aufzog. Wenn man viel im Heim war, merkt man das.«
    »Es ist wie ein Geruch«, meinte Spike höhnisch.
    Sylvia drehte sich zu ihm um. »Wie kann man bloß so was Bescheuertes sagen?«
    Er zwinkerte ihr zu. »Keine Angst, Sylvia, du stinkst nicht. Du bist erste Sahne.«
    »Jedenfalls weiß ich ganz sicher, dass sie als Heimkind aufgewachsen ist, weil sie mir sogar mal von einem Heim

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