Das Runenschwert (Die Saga von den drei Königreichen) (German Edition)
trotziges Kind, dem man etwas weggenommen hatte. Auf der anderen Seite konnte An’luin Cyril verstehen. Vor einer Woche noch war sie auf dem besten Wege eine Thronerbin der Ankil zu werden und heute war sie eine Abtrünnige, ihre Mutter ins Ausland abgeschoben, der Ehemann ihrer Mutter auf immer eingekerkert. Wie sollte man sich da fühlen?
Und doch – wie anders war das Verhalten Sybils, ihrer zwei Jahre jüngeren Schwester? Sybil versuchte auf ehrliche und liebenswerte Weise Cathylls Aufmerksamkeit zu bekommen, so als würde sie wiedergutmachen wollen, was ihre Mutter falsch gemacht hatte. Sybil war vorgestern mit einem frisch gepflückten Blumenstrauß zu Cathyll gekommen und hatte ihr eine Blume ins Haar gesteckt, welche daraufhin Sybils Schulter berührt hatte und ihr gedankt hatte. Sybil war vor Freude hüpfend in den Garten gerannt.
Wie unterschiedlich doch die Kinder mit der Schuld ihrer Eltern umgingen.
An’luin hatte auch Hai’ll Usur beobachtet und fasziniert festgestellt, dass der höfische Berater Cathylls nie ein einziges Zeihen seines Gemütszustandes zeigte. Er war ein perfekter Diener, selbst An’luin hatte keine kleine Geste des Widerstands feststellen können.
Diese Gedanken gingen ihm durch den Kopf, als er die steilen Str aßen zur Burg hinauf ging.
Er hatte in Hjetes Haus übernachtet, wie in alten Zeiten. Hjete hatte ihn zum Abendessen eingeladen, so dass er neben Nieda zusammen mit Weila, Hjete und einem am Tisch sitzenden Flet den geräuche rten Barsch zusammen mit Sturga genießen konnte. Man lachte viel und als es Zeit war zu gehen, war es schon dunkel geworden und Hjete ließ An’luin im hinteren Koben schlafen, neben Flets aus Stroh zusammengelegtem Liegeplatz.
Hjete lebte in einem Haus nördlich von Mal Kallin, eine halbe Stunde zu Fuß, das einem Bauern gehört hatte, der, wie alle anderen Bauern und deren Familien in diesem Weiler, der Gil’avun hieß, sein Land gegen das weitaus fruchtbarere und größere in Staffrae getauscht hatte. Cathyll hatte somit zwei Fliegen mit einer Klappe geschlagen – sie hatte die Wolfinger in ihrer Nähe, die zur Not auch zum Schutz der Stadt zur Verfügung stehen konnten und sie hatte dafür gesorgt, dass die Hilfsarbeiter von Staffrae bleiben konnten und nicht zusammen mit ihrem Herrn Hrolf, der Cathyll an Rabec verraten hatte, bestraft wurde.
Hrolf wurde ebenfalls in den Süden geschickt und vier Wochen für vogelfrei erklärt. Hai’ll Usur hatte nur mit dem Kopf geschüttelt, weil Cathyll zu viel Gnade hatte walten lassen. Unter Rabec wäre die ganze Familie öffentlich enthauptet worden, erklärte er mit leuchtenden Augen. Das diene nicht nur zur Bestrafung, sondern auch zur Abschreckung belehrte er Cathyll, die sich aber keineswegs von ihrem Entschluss abbringen ließ.
Ketill hatte gewitzelt, dass man ja eine ganze Kolonne mit Auswa nderern in den Süden schicken könne, Tante Eleanor, die Familie Hrolfs und die Männer der Garde Ankilans, die nicht bereit waren sich für weniger Sold als zuvor sich in die Stadtwache oder die Miliz von Mal Kallin einzugliedern. Viele Abenteurer und Söldner, die auf mehr gehofft hatten, als nur einfache Soldaten zu werden, verließen in den nächsten Tagen die Stadt und brachen in alle Richtungen auf, um von anderen Herrschern für weniger edlere, aber besser bezahlte Zwecke angeheuert zu werden. Selbst Balain hatte ihr geraten die Garde länger zu halten, aber Cathyll war, wie immer, unerbittlich gewesen. An’luin fragte sich, wieso sie überhaupt Berater brauchte.
Die Nacht in Hjetes Haus war trotz eines schnarchenden Hundes neben ihm angenehm gewesen, denn An’luin spürte die Nähe Ni edas, die schon ausreichte, um ihn glücklich zu machen. Im Stall zu schlafen erinnerte An’luin an seine Nächte im Sumpf von Cat’lan.
Diese Nähe wollte er öfter genießen und so hatte er s ich einen Plan überlegt. Er würde nach der Reise zu seiner Mutter zu Hjete gehen und sie fragen, ob er Nieda heiraten dürfe und er wusste, dass nichts dagegen sprach.
Was er nicht wusste war, wann er in den Süden zu seiner Mutter fahren können würde. Das Treffen, zu dem er jetzt ging, würde darüber entscheiden, was passieren würde angesichts der Bedrohung, die von Thorgnyr und seinen Brüdern ausging. Es war klar, dass sie alles daran setzen würden, um Fölsir für sich zu gewinnen. Irgendwann würden sie herausbekommen, wohin Arla geflohen war und dann würden sie auch wissen, wo sie als nächstes suchen
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