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Das sag ich dir

Das sag ich dir

Titel: Das sag ich dir Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Hanif Kureishi
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meine kleine Gang; ich fühlte mich sicher.
    Eine der aktivsten studentischen Gruppen waren die im Exil lebenden Iraner. Mittags plakatierten sie die Bar immer mit schrecklichen Fotos von Opfern der Savak, der Geheimpolizei des Schahs, die von den USA unterstützt wurde, von jeher Freund und Geldgeber des Diktators. Ich unterhielt mich mit den jungen Linken, die um unsere Unterstützung warben; sie behaupteten, die Moscheen für die Mobilisierung des Volkes nutzen zu wollen. Sobald die Revolte in Gang gekommen sei, werde die Linke die Macht ergreifen.
    Die andere umtriebige Gruppe im College, immer geschäftig und auf der Suche nach Ärger - und im Bunde mit der Anti-Nazi League -, war die SWP, die Socialist Workers Party. Ein Student aus unserem Philosophie-Seminar kam vorbei und brachte uns ein paar Broschüren. Genau wie der Marxismus wollte auch er nicht verschwinden, sondern zog sich einen Stuhl heran und redete auf Valentin ein, den er unbedingt zu einem Treffen überreden wollte.
    Die Trotzkisten versuchten ständig, Valentin zu bekehren, im Grunde absurd, denn er war in einem kommunistischen Staat aufgewachsen und hatte sich redlich Mühe gegeben, aus diesem zu entkommen. Seiner Meinung nach war sein Land durch die marxistische Ideologie zugrunde gerichtet worden. Auch das Argument der Trotzkisten, das System sei durch die Machtübernahme Stalins »pervertiert« worden, hielt er nicht für überzeugend. Wie er mir erzählte, fand er diese Leute amüsant oder »fast verrückt«, aber weil er nichts Besseres zu tun hatte, hörte er ihnen häufig zu.
    Valentin schien fast alle menschlichen Bestrebungen oder Vorhaben lächerlich zu finden, als wären diese unter seiner Würde. Auf jeden Fall hielt er mich für seiner unwürdig, und vielleicht war das der Grund, weshalb ich so sehr darauf aus war, ihn zu beeindrucken. Als ich ihn einmal bat, mir bei der Logik zu helfen, erwiderte er nur: »Ach, das habe ich schon vor Monaten kapiert.« Und wenn wir am Freitagabend und am Samstagabend in die King's Road gingen, um Frauen aufzureißen, machte er jedes Mal fette Beute, und ich musste immer den letzten Zug nach Hause nehmen. Dass er mir Ajita »überlassen« hatte, war wohl nicht zuletzt eine gönnerhafte Geste gewesen.
    Wie mir auffiel, las Ajita mehrmals die Broschüre, die man ihr in die Hand gedrückt hatte, und das überraschte mich, weil sie weder das Lesen noch die Politik sonderlich interessierten.
    Der Trotzkist stieß seinen Finger auf die Broschüre. »Dieser Fabrikbesitzer hier, den wir uns gerade vorknöpfen ...« Er zog sich einen Finger über die Kehle und riss den Mund auf wie eine gequälte Gestalt auf einem Gemälde von Bacon.
    »Nur zu, Mann«, sagte ich abweisend.
    Eine leise, panische Stimme sagte: »Jamal...« Ajita flüsterte mir etwas ins Ohr. Sie wollte auf dem Embankment am Fluss spazieren gehen.
    Wie ich ihrem Schluchzen entnehmen konnte, handelte es sich bei der Fabrik, die in der Broschüre der Trotzkisten aufs Korn genommen wurde - und gegen die die Studenten protestieren sollten -, um die ihres Vaters.
    Drei Jahre lang war es Ajitas Familie gutgegangen. Der Vater hatte den Betrieb aufgebaut, die Mutter hatte sich um die Kinder gekümmert, man hatte Geld gehabt. Die Kinder lebten sich ein, England gefiel ihnen. Und nun hatte es den Anschein, als wollte England sie doch nicht haben.
    Ajitas Vater war daran gewöhnt, die Dinge in die Hand zu nehmen und Macht zu haben, aber seit kurzem musste er befürchten, dass man ihm diese entwand. Die Gewinnspanne war nicht hoch, und deshalb musste er die Löhne niedrig halten. Der Betrieb drohte zusammenzubrechen, und falls das geschah, würde er plötzlich mit riesigen Schulden dasitzen und musste vielleicht Insolvenz anmelden. Was sollten sie dann tun - wie alle anderen in England von der Stütze leben?
    Der Streik, der kurz nach der Ausstrahlung des Dokumentarfilms begann, wurde von einer winzigen Bengalin angeführt. Diese mutige, trotzige Gestalt war für andere Frauen, ja für die gesamte Linke, zu einer Heldin geworden. Ihr gereichte alles zum Vorteil: Rasse, Geschlecht, Klassenzugehörigkeit, Körpergröße. Die Zahl der Streikposten wuchs mit jedem Tag. Die Fabrik war nicht weit von London entfernt, und ganz in der Nähe befand sich eine U-Bahn-Station. Theater- und Filmschauspieler unterstützten die Streikposten, bevor morgens die Arbeitswilligen eintrafen. Ein Labour-Minister war da gewesen. Die Auseinandersetzung wurde eine cause celebre

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