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Das Sakriversum. Der Roman einer Kathedrale.

Das Sakriversum. Der Roman einer Kathedrale.

Titel: Das Sakriversum. Der Roman einer Kathedrale. Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Thomas R. P. Mielke
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Seine Finger stießen gegen schwere Holzbohlen. Sie wichen knarrend zurück.
    »Geh weiter, bis dein Fuß gegen eine Metallschale stößt, dann wende dich nach links.«
    Die Stimme aus der Mauer hatte sich im Klang verändert. Sie kam nicht mehr von dort, wo er sie zuerst gehört hatte, sondern schräg von vorn. Schritt für Schritt ging er weiter. Er ließ die Hände ausgestreckt. Sein rechter Fuß stieß gegen ein Hindernis. Das mußte die Metallschale sein!
    Er drehte sich auf dem Absatz zur Seite. Im gleichen Augenblick entdeckte er einen winzigen Lichtpunkt. Er sah wie ein Glühwürmchen in der Dunkelheit aus. Vorsichtig ging er auf ihn zu. Er wußte nicht, was ihn erwartete, aber jetzt konnte er nicht mehr zurück.
    Das ferne Licht flackerte am Ende eines langen Gangs. Es war eine an dünnen Ketten aufgehängte Öllampe. Als Guntram näher kam, entdeckte er eine Steinplatte an der Wand. Sie war glattgeschliffen und mit magischen Zeichen versehen. In einem kreisförmigen Feld in der Mitte der Platte war ein Plan eingezeichnet.
    »Geh weiter, Enkel Wolframs!« sagte die Stimme über ihm. Er blickte nach oben und entdeckte ein kleines, vergittertes Loch in der gewölbten Decke. »Nimm die Lampe von der Wand, öffne die Tür zu deiner Rechten mit den magischen Primzahlen nach eins und folge dem verborgenen Weg der Alten nach unten!«
    Guntram tat, wie ihm die Stimme geheißen hatte. Er ahnte längst, daß es Meister Albrecht war - der Eremit, den außer den Clan-Chefs noch nie jemand gesehen hatte.
    Hinter ihm drückte ein plötzlicher Windstoß die Tür zu. Es krachte trocken, als Holz gegen Holz schlug.
    Guntram bezwang seine Angst. Er hörte seltsame flatternde Geräusche wie von den großen Fledermäusen der Weltlichen über sich. Solange er denken konnte, hatte er sich immer vor den Tieren gefürchtet, die es eigentlich nur noch im nördlichen Teil des Sakriversums geben durfte.
    Ihre eigenen Tiere paßten in ihrer Körpergröße durch lange Zuchtauswahl zu ihnen, aber die anderen, die furchtbaren Bestien, waren ihm immer wie riesenhafte Monster vorgekommen. Nicht in jedem Jahr hatte die Familie von Eilhart dem Jäger verhindern können, daß große Käfer, Spinnen, Fledermäuse und Vögel ins Sakriversum eindrangen.
    Nach dieser Flucht mußte es besonders schlimm sein! Guntram schüttelte sich, als er daran dachte, wie oft er jetzt nachts aufwachen würde und wie oft die Glocke im Buch-Heim die Männer des Dorfes zu Speeren und Bogen rufen mußte, um einen schrecklichen Vogel oder anderes Raubgetier zu vertreiben.
    Seltsam war nur, daß er bisher noch kein Tier gesehen hatte.
    Die Bohlentür an der rechten Seite des Gangs sah noch massiver aus als die Haustür. Dafür waren die Riegel feiner und aus anderem Metall geschmiedet. Guntram schob ohne zu zögern die drei Riegel in die Positionen drei, fünf und sieben. Diesmal knarrte nichts, als er die Tür aufdrückte. Beinahe lautlos ließ sie sich öffnen.
    Er nahm die Lampe von der Wand und hielt sie über den Kopf. Vor ihm führte ein steiler Gang mit unzähligen Stufen tiefer. Guntram sah, daß die Stufen ursprünglich einmal anders geplant worden waren. Besonders an den Seiten wurde deutlich, daß jeweils acht Stufen vor langer Zeit eine einzige Stufe gewesen sein mußten.
    Die Treppe kam ihm plötzlich wie ein steil nach unten führendes Flußbett vor. An den Rändern erkannte er Erinnerungen an seine Ahnen: Spuren der Vergangenheit!
    Hier wurde sichtbar, was im Dorf nicht auffiel.
    Er wußte, daß nach Fluchtphasen alle Häuser zerstört und kleiner wieder aufgebaut worden waren. Die Reinkarnation gehörte seit Jahrhunderten zu den festen Ritualen der Schander. Nur durch die Wiederverkörperung in einer ständig neuen, kleineren Form hatten sie den Fluch ihrer Existenz überwinden können ...
    Die Treppe war nur ein Beweis dafür!
    Guntram entschloß sich, den Anweisungen der Stimme zu folgen. Er hielt die Öllampe weiterhin hoch und stieg vorsichtig tiefer. Schon nach kurzer Zeit hörte er über sich ein sanftes Rauschen.
    Er blieb stehen und lauschte. Es klang, als würde über den Deckensteinen des schräg nach unten führenden Gangs Wasser fließen ...
    Der Bach!
    Konnte es sein, daß der geheime Gang direkt unter dem Bach nach unten führte? Das war sehr gut möglich. Guntram sah, daß die Stufen wie über einen gekrümmten Buckel tiefer führten. Sie folgten dem südlichen Gewölbebogen über der Mitte der Kathedrale.
    Es war ein merkwürdiges

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