Das Sakriversum. Der Roman einer Kathedrale.
sondern auch weltlichen Herrschern immer unheimlicher und lästiger. Während die Päpste noch gehofft hatten, ihre Vormachtstellung durch die Kreuzzüge sichern zu können, störten sich die Könige von Frankreich an den großen Ländereien des Ordens in ihrem Bereich.
Nach dem Verlust von Jerusalem im Jahre 1244 ging die Begeisterung für das Heilige Land überall spürbar zurück. Als dann mit der Festung Akkon die letzte Bastion der Christenheit im Jahre 1291 gefallen war, verloren auch die Ritterorden ihre ursprüngliche Bedeutung.
Philipp der Schöne von Frankreich und sein juristischer Berater Wilhelm Nogaret, der gleichzeitig Erzbischof von Narbonne war, erkannten ihre Chancen. Sie zettelten einen Prinzipienstreit über das Verhältnis von geistlicher und weltlicher Gewalt an. Ihr Gegner war Papst Bonifatius VIII.
Philipp besteuerte den Klerus, verbot die Teilnahme von Bischöfen am Konzil in Rom und fügte der Kurie durch ein Ausfuhrverbot schwere wirtschaftliche Schäden zu. Gleichzeitig führte er einen Krieg gegen die Engländer unter Edward I. und verlor ihn.
Papst Bonifatius VIII. nutzte die Niederlage Philipps und verlangte in der Bulle Unam santam , daß Könige und Fürsten das Schwert nur noch im Auftrag der Kirche führen sollten.
Erbost erklärte Philipp daraufhin den Papst zum ketzerischen Verbrecher und ließ ihn im September 1303 gefangennehmen ...
Nach der Verlegung des Papstsitzes von Rom nach Avignon räumten Philipp und Wilhelm Nogaret gleich weiter auf. Als Bertrand de Got, der kränkliche und schwache Bischof von Bordeaux, Papst Clemens V. wurde, schlugen sie ihm einen Handel von weitreichenden Folgen vor:
Sie versprachen, die Anschuldigungen gegen den verstorbenen Papst Bonifatius VIII. teilweise zurückzunehmen, wenn Clemens V. den Orden der Tempelherren auflöste.
Natürlich erwähnten sie dabei nicht, daß sich Philipp für seinen Kampf gegen Bonifatius VIII. und den Krieg mit Edward I. gewaltige Summen bei den Tempelherren geliehen hatte, deren Rückzahlung er auf diese Weise zu vermeiden suchte ...
Clemens V. war Franzose genug, um die Vorschläge aus Paris lange und sorgfältig zu erwägen. Außerdem hatte er schon vor seiner Krönung von verschiedenen Beschuldigungen gegen die Angehörigen des Ordens gehört. Trotzdem zögerte er lange, einer offiziellen Untersuchung zuzustimmen.
Erst als ihm Erzbischof Nogaret mehrere Belastungszeugen brachte, konnte er die Intrige nicht länger verhindern. Die Mehrzahl der Zeugen bestand aus Brüdern, die wegen schlechten Betragens aus dem Orden ausgeschlossen worden waren. Einer aber unterschied sich nicht nur durch seinen Namen und seine Herkunft, sondern auch durch seine Stellung innerhalb des Ordens von allen anderen.
Rhodri Mawr Llywellyn war fünfundzwanzig Jahre alt, als er sich Erzbischof Nogaret zur Verfügung stellte. Trotz seiner Jugend war er zu diesem Zeitpunkt bereits Präzeptor für den westlichen Bereich der Ordensprovinzen nördlich der Alpen. Er war von Nonnen aufgezogen worden, nachdem sein Vater im Jahre 1282 sein Königreich an Edward I. von England verloren hatte.
Nur wenige Eingeweihte wußten, daß der Waliser der legitime Nachfolger des letzten echten Prince of Wales war ...
Der erneute Sieg Edwards I., diesmal gegen den König von Frankreich, gab für Rhodri Llywellyn den Ausschlag, den Orden der Tempelherren zu verlassen und sich auf die Seite von Philipp zu stellen. Er hatte nämlich erfahren, daß einige Ordensprovinzen Edward I. nicht nur finanziell, sondern auch durch erfahrene Berater unterstützt hatten.
Rhodri Llywellyns Aussagen vor dem Inquisitor über die Geheimnisse und die Vergehen der Templer gaben den Ausschlag.
In seinem Haftbefehl vom 14. September 1307 warf Philipp der Schöne von Frankreich dem Orden die Leugnung Gottes, Götzendienste, geheime Rituale, widernatürliche sexuelle Praktiken und die Zerstörung der ›alten Werte‹ vor.
Einen Monat später waren alle Templer eingekerkert. Nach mehreren Prozessen, Geständnissen, Widerrufen und erneuten Geständnissen wurden Dutzende von führenden Ordensbrüdern im März 1310 öffentlich verbrannt. Rhodri Mawr Llywellyn gehörte nicht dazu.
Noch jahrelang wurde er von den Schergen der Inquisition gesucht. Es hieß, daß er sich einer Gruppe fahrender Sänger angeschlossen habe. Sie tauchten mal hier, mal dort auf und sangen ihre Moritaten und Chansons de croisade auf kleinen Bänkchen stehend - nicht, weil sie besser gesehen werden
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