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Das Salz der Erde: Historischer Roman (German Edition)

Das Salz der Erde: Historischer Roman (German Edition)

Titel: Das Salz der Erde: Historischer Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Daniel Wolf
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Atem.
    Der Junge war im Elsass – in Sélestat, südlich von Straßburg. Kein Wunder, dass er ihn nicht gefunden hatte. Rémy war es gelungen, bei einem angesehenen Buchmaler Aufnahme zu finden, und er machte dort eine Lehre.
    Bitte sag Michel nichts davon. So endete der Brief.
    Michel stand auf, das Pergament in der Hand, tat einige Schritte und atmete tief ein und aus. In seinem Innern tobte ein Sturm widersprüchlicher Gefühle, ein tosendes Durcheinander aus Wut, Scham und grenzenloser Erleichterung. Vor allem Erleichterung.
    Seine Ahnung hatte ihn nicht getäuscht. Rémy lebte. Und es ging ihm gut.
    Er wandte sich zu Isabelle um, wollte sie anschreien, wollte ihr Vorwürfe machen, dass sie ihm die Nachricht verschwiegen hatte. Doch als er ihr in die Augen sah, verpuffte sein Zorn. Es war genug. Sie hatten viel zu oft wegen Rémy gestritten. Er hatte keine Kraft mehr. »Du hättest es mir sagen müssen«, brachte er lahm hervor.
    Sie war blass, weinte jedoch nicht mehr. »Was wäre dann geschehen? Du wärst zu ihm geritten und hättest versucht, ihn nach Hause zu holen, und euer törichter Streit hätte von vorn begonnen.«
    Michel musste sich eingestehen, dass es genauso gekommen wäre. Er rollte das Pergament zusammen. »Ich muss zu ihm.«
    »Um was zu tun?«
    »Ihm sagen, was ich falsch gemacht habe. Ihn um Verzeihung bitten.«
    »Versuch nicht, ihn zu überreden, nach Hause zu kommen. Er ist glücklich dort. Versprich mir das.«
    »Du hast mein Wort.«
    Michel blickte zum Himmel auf. Es würde noch einige Stunden hell sein. Wenn sie gleich aufbrachen und sich sputeten, konnten sie vor Einbruch der Dunkelheit die halbe Strecke bis Hagenau schaffen. Dann wären sie in drei Tagen in Sélestat.
    Er dachte an seine Freunde und fragte sich, ob es unvernünftig und selbstsüchtig wäre, zu Rémy zu reiten, während Duval, Caboche und die anderen zu Hause de Guillory die Stirn boten. Nein. Es gab nichts, was er noch für Varennes tun konnte – das Schicksal der Stadt lag nun in Ferrys Hand. Davon abgesehen war es kein großer Umweg, über Straßburg und Sélestat nach Varennes zu reiten, statt über Metz und Nancy. Im schlimmsten Fall käme er einen Tag später an.
    Damit war es entschieden. Eilends riefen sie nach den Söldnern und verabschiedeten sich von Pater Guy, Conon und dessen Familie. Kurz darauf saßen sie in den Sätteln und kanterten über den gewundenen Weg den Burgberg hinab.
    B URG G UILLORY
    D ie Waffenknechte kamen näher, die Schwerter bereit zum Angriff. Lauerten auf eine Lücke in seiner Deckung; versuchten, ihn in die Zange zu nehmen. Aristide wich zurück, damit er sie beide im Blick hatte. Der rechte sprang vor, er parierte den Hieb und wehrte den Stoß des anderen mit dem Schild ab. Stahl klirrte, als er sie mit mehreren Streichen zurücktrieb. Die beiden Männer waren höchstens fünfundzwanzig Jahre alt, doch was sie ihm an Schnelligkeit und Ausdauer voraushatten, machte er durch Erfahrung wett. Er fing einen weiteren Hieb mit seiner Klinge auf, entwaffnete den Mann und versetzte ihm einen Tritt in den Magen, der ihn zurücktaumeln ließ. Doch wo war der andere? Aristide bemerkte eine Bewegung in den Augenwinkeln und fuhr herum – einen Moment zu spät. Das Schwert traf seinen Waffenarm. Wenngleich die Waffe an seinem Kettenpanzer abglitt, tat der Schlag doch höllisch weh. Aristide stöhnte auf und hob seinen Schild nicht rechtzeitig: Der zweite Streich schmetterte gegen seinen Helm und ließ seinen Schädel dröhnen. Er bekam einen Stoß vor die Brust, fiel rücklings in den Staub und rang keuchend um Atem.
    »Alles in Ordnung, Herr?« Der Waffenknecht schob sein Schwert in die Scheide und wollte ihm aufhelfen. Aristide schlug seine Hand zur Seite. Fluchend stemmte er sich hoch und verzog das Gesicht, als dumpfer Schmerz seinen Arm durchzuckte.
    Besiegt von einem Jungspund. Vor zehn Jahren wäre ihm das nicht passiert. Früher hätte er jeden dieser Burschen zum Frühstück verspeist. Er spuckte aus, warf den Schild weg und zog den Helm aus. Sein Schädel pochte noch immer, obwohl der dicke Stahl und die Lederhaube darunter den Schwerthieb abgemildert hatten. »Gut gekämpft«, knurrte er und winkte einem Diener, der ihm eine Schale mit Brunnenwasser brachte. Er hatte einen Höllendurst. Dabei hatten sie erst vor einer halben Stunde angefangen. Sieh den Tatsachen ins Auge: Du wirst alt. Alt und müde.
    Blödsinn. Sein alter Herr war noch für Kaiser und Herzog in die Schlacht geritten,

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