Das Salz der Mörder
göttliche Gebot der Ahnen und versuchte
nun über Umwege ungesehen sein Feld zu erreichen.
Der
Tag war warm. Fliegen summten in der grellen Sonne und der Staub des schmalen,
sandigen Pfades wirbelte unter den festen Schritten des kräftigen Bauesmann im
flimmernden Morgenlicht.
Schnell
gelangte Bempong von jedermann unbemerkt zum Feldesrand, erspähte sogleich
seine Hacke, ergriff sie und wollte schon heimlich den Heimweg einschlagen, als
er plötzlich ein merkwürdiges Geräusch vernahm. Scheinbar tönte es von den
Bäumen her, hinter der Wegesgabelung, dachte Bempong. Und er ging in die
Richtung, aus der die fremdartigen Klänge erschallten. Mit einem Mal erblickte
er ein zierliches kleines Mädchen. Dieses saß, ihre Beine überkreuzt, auf einer
Schaukel aus geflochtenen Lianen, welche hoch oben an einem riesigen Baum
befestigt war. Goldene Sonnenstrahlen hüllten das zarte Püppchen lieblich ein.
Traurig wippte es hin und her, das liebliche Kind. So einsam und unglücklich sah
es aus, dass Bempong befürchtete, es möge sich verlaufen haben. Behutsam trat
er näher: ‚Guten Morgen, kleines Kind, sag mir, wo kommst du her und wo willst
du hin?‘ Doch die Kleine sah ihn nur jammervoll an und sprach kein einziges
Wort. Große Tränen liefen über das niedliches Gesichtchen. Ihre langen
schwarzen Haare hatten sich gelöst und ruhten auf Schulter und Rücken. Sie
waren so lang, sie berührten fast den Erdboden. Das Mädchen trug nichts am
Körper, außer einer Unzahl glitzernder Perlenkettchen, die um ihre zarten
Hüften gewunden waren.
‚Du
bist sehr schön, mein Kind. Hab keine Angst, ich werde dir nichts tun. Hast du
dich verlaufen?‘ fragte Bempong mit Vorsicht. Wiederum antwortete das Mädchen
nicht.
‚Komm
mit in mein Dorf. Ich werde dir etwas zu essen geben, dann kannst du mir
erzählen, was dich bedrückt‘, sagte er freundlich. Lächelnd streckte sie ihre
kleinen Ärmchen nach Bempong aus und er hob sie von der Lianenschaukel.
Schweigend gingen sie dann Hand in Hand dem Waldesrand entgegen. Bevor sie im
Dorf eintrafen, begegnete Bempong einige seiner Nachbarn. Erschrocken verbarg
er geschwind sein Feldwerkzeug im Überrock: ‚Guten Morgen, Freunde.‘
‚Guten
Morgen, Bempong‘, grüßten sie fröhlich zurück. ‚Wer ist denn dieses Kind, das
du da bei dir führst?‘
‚Oh‘,
erwiderte er, ‚es ist ein armes kleines Mädchen. Ich fand es weinend am
Wegesrande sitzend. Sie hat sich wohl verlaufen und sagt mir nicht, wer sie ist
und woher sie kommt.‘
Endlich
erreichte Bempong sein Haus. Er begrüßte Frau und Kinder und brachte seine
Hacke in den Schuppen. Alle sahen ihn verwundert an. Daraufhin erzählte er auch
ihnen, wie er das sonderbare Mädchen auffand. ‚Nun gib ihr was zu essen, Frau,
danach bade sie und zieh ihr ein hübsches Kleidchen an. Bestimmt erzählt sie
uns später, wo sie herkommt und ich kann sie in das Dorf ihrer Eltern bringen.
Doch zuvor solltest du ihr die langen Haare abschneiden.‘ Als Bempong die
langen Haare erwähnte, begann das Mädchen bitterlich zu weinen und wild mit den
Augen zu rollen. Er konnte die Kleine beruhigen und begleitete sie zu dem
Palmendach hinten am Haus, wo das Essen bereits auf sie wartete. Nachdem sie
ausgiebig alles verschlang, was auf dem Tische stand, erhob sie sich und
spazierte auf und ab, wobei sie mit ihren Perlenkettchen spielte, die anmutig
an ihrem zierlichen Körper klirrten, denn das Kleidchen, welches man ihr gab,
warf sie ungesehen weg. Es war kurz vor Mittag, als Afrum den Bauernhof betrat
und mit heiterer Stimme die morgendliche Stille übertönte. ‚Hallo, alle
miteinander. Möge Gott euch beschützen‘, rief er seiner Familie überschwänglich
zu. Er erblickte das fremde Mädchen auf der Veranda und fragte, wer sie sei.
Der Vater erzählte zum wiederholten Male seine Geschichte. Er wolle gleich den
Dorfältesten befragen und jemand in die Nachbardörfer senden, um
herauszufinden, ob dort ein Mädchen vermisst werde.
‚Ist
das deine ganze Geschichte, Vater?’ fragte Afrum. ‚Wenn das so ist, gehe ich
wieder zurück in meinen Wald.‘ Er verließ den Hof und begann froh gestimmt zu
singen:
Wie kann der Dumme
weiser werden,
Wenn der Weise
dümmer wird.
Es kann des Bauern
Ernte sterben,
Wenn ihn langes,
schwarzes Haar verwirrt.
Ob ein Mädchen mit
den Augen lügt
Oder mit dem Herz
besiegt,
Der schöne Schein
des Waldes trügt.
Afrum
war längst im Walde verschwunden, da traf der Gemeindevorsteher auf
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