Das Salz der Mörder
Zeitpunkt konnte ich mir solchen Luxus
nicht leisten, doch ich war zumindest angenehm überrascht. Ich bestellte
spontan, „Rumpsteak and Potatoes Chips“ für Florence und „Bismarckhering mit
Schwarzbrot und saure Gurken“ für mich. Trotz meiner finanziellen Misere, ließ
ich eine Flasche Champagner kommen. Wenn ich darüber nachdenke, bin ich mir
selbst heute noch ganz sicher, dass wir seinerzeit von mindestens zwei neidisch
blickenden Männern beobachtet wurden. War ja auch kein Wunder, so wie Florence
aussah. Mir gefiel sie ja ebenso. Andererseits bekam ich einen roten Kopf,
nachdem man uns das Essen servierte. Denn anstatt mit Messer und Gabel, speiste
Florence mit ihren zehn Fingern, was mir damals äußerst befremdlich erschien.
Ihr offenbar nicht: Sie hielt das angebissene Steak in der rechten Hand, mit
der linken angelte sie ungeniert die knackigsten Pommes frites vom Teller und
erzählte kauend über die Arbeit in der Klinik von Doktor Webster. Ich hingegen
versuchte mich für Stevens unmögliches Verhalten zu entschuldigen, um danach -
nicht uneigennützig und zu ausführlich - über meine kaputte Ehe in Deutschland
zu referieren. Florence kaute und ich himmelte ihre ölverschmierten Finger an.
Nach
dem Essen bezahlte ich großzügig und lud Florence in eine Nachtbar ein. Als ich
beim Herausgehen die Restauranttür öffnen wollte, stellte sich mir der Chef des
Hauses in den Weg – ein gewisser Heiner Vielrum – und fragte mich nach meinem
Wohlbefinden. „Danke, der Hering war sehr gut. Ja, wirklich gut.“
Er
reichte mir seine Hand. „Heiner Vielrum.“
„Angenehm“,
erwiderte ich. „Wegner. Manfred Wegner. Berlin. Vielrum? Eigenartiger Name“,
stellte ich mit einem gequälten Lächeln fest.
„Ja,
ja, Vielrum, ganz richtig. Ich reise viel. Ich komme viel rum. Vielrum. Ha, ha,
ha.“ Nach dem obligatorischen Bitte-besuchen-Sie-uns-doch-bald-Wieder, drückte
er die Klinke runter und ich stieß die Tür nach draußen auf. Die abendliche
Hitze schlug mir erneut mit voller Kraft entgegen. Wir riefen ein Taxi. Das
fuhr uns zum „Kilimandscharo“, einer exklusiven Nachtbar, die keine zwanzig
Autominuten von unserem deutschen Freund entfernt war und mit einem exquisiten
Angebot von auffallend hübschen Prostituierten zu protzen wusste.
Morgens
gegen fünf brachte ich Florence nach Hause. Wir waren beide beschwipst. Lachend
und taumelnd erreichten wir ihr kleines möbliertes Zimmer, in der Nähe des
„Kwame Nkrumah Circle“. Wir schliefen sofort ein: sie im Bett, ich im Sessel.
Irgendwann an jenem Morgen erzählte sie mir das Märchen von dem „Dorf der
letzten Nymphen“.
Mein
Magen meldete sich abermals, als ich die Durchsage von der Zwischenlandung in
Accra hörte. Die werden doch hoffentlich nicht in die Maschine kommen und die
Pässe kontrollieren wollen oder uns gar in einen Transitraum schicken, ging es
mir durch den Kopf - dann bin ich geliefert. Wir standen mindestens eine halbe
Stunde auf dem freien Rollfeld. Ich wurde zusehends nervöser, auch die anderen
Fluggäste begannen unruhig zu werden. Die beiden Stewardessen servierten
beharrlich kalte Getränke, um uns zu beschwichtigen. Erst als sich der
Flugkapitän für die Zwischenlandung in Accra entschuldigte, da man einen
kleinen technischen Schaden zu beheben hatte, fiel mir ein Stein vom Herzen.
Endlich
hob unser klappriges Flugzeug von der Startbahn ab. Nun ging es mir wieder
besser. Ich hatte nicht geahnt, dass ich noch einmal so gefährlich nah an einer
zehnjährigen Haftstrafe vorbeifliegen würde.
80. Das Hansen-Interview von Hans-Peter Hahn
Die
Hansen empfängt mich auf der Gangway und reicht mir ihre Hand. Zwei Frauen
durchsuchen mich nach Waffen. Nichts gefunden. Ich folge der Sektenführerin zu
ihrem Platz in die First-Class einer startbereiten Boing 747 - vorbei an den
zwei gefesselten Geiseln aus Düsseldorf und Wolfsburg, die mit entsicherten
Maschinengewehren von mehreren Seiten bewacht werden. Sie schauen mir
hilfesuchend hinterher. Ohne in meine Augen zu sehen, weist mir die Hansen
einen Sitz zu. Während sie ihren Platz einnimmt, hält sie den Blick starr auf
ihre jüngere Halbschwester gerichtet, einer Frau Anfang vierzig. Die
Ähnlichkeit mit der Hansen ist erstaunlich. Ich bedanke mich bei der Chefin für
die Einladung. Sie lächelt und sieht mir zum ersten Mal ins Gesicht. Ich lege
mein Diktiergerät auf den Klapptisch: „Darf ich das benutzen?“ frage ich
vorsichtig. Mit einer undefinierbaren
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