Das Salz der Mörder
wie die
ungeheuerlichen Massenmorde von Wusterwalde. Er profilierte sich als Regisseur
im Hintergrund und sie als seine alleinige Hauptdarstellerin im Rampenlicht.
Und Sie alle hier saßen in der „Ersten Reihe“. Und Sie alle hier haben ihn
verflucht und sie bemitleidet. Dieses Gaunerpärchen hat es in unnachahmlicher
Weise verstanden unsere sozialen Grundwerte lächerlich zu machen. Bonnie and
Clyde auf hochdeutsch. Was die Observation der Wegner anbelangt, verweise ich
auf meinen Mitarbeiterstab, der sich offenbar ebenso von diesem Gangsterduo hat
einlullen lassen wie Sie auch. Jeder wird sich wohl noch an die
aufsehenerregenden Fernsehauftritte der Wegner erinnern. Hätte diese Dame eine
abgeschlossene Schauspielausbildung, würde ich vermuten, sie arbeitet im
dramatischen Fach.
SÜDDEUTSCHE
ZEITUNG: Aber Herr Oberstaatsanwalt, Sie saßen doch ebenfalls in der Ersten
Reihe, wenn ich mich nicht irre. Oder wollen Sie damit etwa andeuten, dass
Ihrer Behörde bei den Ermittlungen Pannen unterlaufen sind, die Sie nicht
bereit sind zu verantworten?
Dr.
SCHMID-MERTENS: Natürlich sind unseren Beamten einige Pannen unterlaufen. Das
kann man doch gar nicht ausschließen. Die erste Panne war schon in München,
wenn man das als Panne bezeichnen darf: Im Ersten Kommissariat nahm ein
Hauptkommissar eine Vermisstenanzeige auf, die er nicht korrekt weiterleitete.
Die Gründe dafür sind nun aufgeklärt geworden. Wir fanden einen Erpresserbrief
von dem besagten Polizeibeamten im Tresor der Hansen. Dieser Beamte war der
leibliche Sohn dieser Frau. Er wusste seit dem Tag, als Frau Wegner ihre
Vermisstenanzeige bei ihm anzeigte, dass Herr Wegner und dessen Tochter von
seiner Mutter gefangengehalten wurde. Das steht eindeutig fest. Deshalb
versuchte er von seiner Mutter fünf Millionen Mark zu erpressen. Was mit ihm
danach geschah, wissen wir jetzt auch: Der Mann ist heute als einer der drei
„Isartoten“ bekannt und ging somit in die deutsche Kriminalgeschichte ein. Nur
zwei Stunden zuvor verunglückte der Revierleiter der Sankt Peter-Ordinger
Polizeistation tödlich. Er stürzte am Silvesterabend angeblich angetrunken von
seinem Dienstfahrrad. Merkwürdig daran ist nur, dass der junge Mann noch nie in
seinem Leben mit Alkohol in Zusammenhang gebracht werden konnte, was seine
Eltern und Arbeitskollegen glaubwürdig bestätigten. Erst jetzt gilt es als
erwiesen, dass er gemeinsam mit seinem Münchner Kollegen die Hansen erpresst
hat. Welche Rolle der getötete Bundesbahnbeamte dabei spielte, ist bislang
nicht geklärt. Es ist nur bekannt, dass er ein ehemaliger Polizeibeamter war
und mit dem Hauptkommissar gelegentlich zusammenarbeitete. Dann gab es da einen
Mitarbeiter des Landeskriminalamtes Kiel, der stets nach einem alten russischen
Sprichwort ermittelte: Wer zwei Hasen nachjagt, fängt keinen. Er wurde seines
Postens entbunden. Ich muss an dieser Stelle leider einräumen, dass es auch in
unseren Reihen inkompetente und sogar gesetzwidrige Elemente gibt. Sie sehen,
wie sich ein Fall, wie dieser, durch das Fehlverhalten weniger schwarzer Schafe
zu einem bundesweiten Skandal ausweiten kann.
SENDER
FREIES BERLIN: Herr Oberstaatsanwalt, was ist mit Ihnen? Sie kommen nach
Berlin, machen große Worte, aber von Ihrem Rücktritt reden Sie nicht. Also,
wann . . .? Wann treten Sie zurück? Sie sind doch derjenige, der die ganze
Familie Wegner ungestraft entkommen ließ.
Dr.
SCHMID-MERTENS: Habe ich das richtig verstanden? Sie machen mich hier zum
Prügelknaben? Ich fühle mich nicht als Sündenbock für geschultes Personal,
welches das Einmaleins der Beschattung beziehungsweise der Observation nicht
beherrscht. Das wäre ja noch schöner. Im gleichen Zusammenhang müsste Frau von
Bentheim ihre Anwaltspraxis schließen, nur weil einer ihrer unfähigen
Mitarbeiter bei den Morden an der Isar zugegen war und nicht eingriff. Ich
bitte Sie, meine Damen und Herren! Wo kommen wir denn da hin, wenn jeder die
Verantwortung für das Unvermögen des anderen zu übernehmen hat?
MÜNCHNER
MERKUR: Herr Oberstaatsanwalt, wie war es überhaupt möglich, dass der Wegner
nach seiner Entlassung von der Hansen mit seiner Tochter ungesehen in das Haus
seiner Frau eindringen und obendrein noch den Sohn entführen konnte? Der Mann
hielt sich immerhin über vierzehn Stunden in der Wohnung auf.
Dr.
SCHMID-MERTENS: Aus den eben genannten Gründen.
DIE
BILD ZEITUNG: Herr Oberstaatsanwalt, darf man erfahren in welchen
Justizvollzugsanstalten die
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