Das Salz der Mörder
es
Ihnen ermöglichen in einem freiheitlich-demokratischem System, in einem
Rechtsstaat zu leben und zu arbeiten. Sonst würden Sie heute nicht hier
anwesend sein und Fragen stellen, sondern wegen Zurückhaltung von Beweismitteln
und Vorteilsnahme ganz woanders sitzen.
So,
meine Damen und Herren, ich sehe die Zeit ist um. Hiermit beende ich unsere
Zusammenkunft. Ich danke Ihnen recht herzlich für Ihr Interesse und wünsche
allen Anwesenden für die im Foyer bereitgestellten kulinarischen Gerichte einen
guten Appetit und eine sichere Heimfahrt. Auf Wiedersehen.
90. Ankunft im Paradies
Die
Swissair-Maschine hatte eine Stunde Verspätung. Wir warteten draußen vor der
Empfangshalle - Gaby, Danny und ich. Doch dann war es soweit. Die ersten
Passagiere mit den Schweizer Aufklebern auf ihren Gepäckstücken hetzten durch
die gläserne Pendeltür ins Freie. Danny hielt nervös unser großes Pappschild
mit der Aufschrift „Vera Berliner“ in die Höhe, Gaby versteckte das selbst
gebastelte Geschenk hinter ihrem Rücken und ich klopfte mit dem Rosenstrauß
gegen mein Bein und zupfte mit der rechten Hand ständig an meiner Krawatte, die
mir den Hals zuschnürte. Wir waren alle sehr aufgeregt.
In
wenigen Sekunden werden wir sie endlich wiedersehen - unsere Mutti, meine
Vroni.
In
einiger Entfernung bemerkten wir eine äußerst attraktive Dame in einem rosa
Kostüm mit schwarzer Bluse.
Gemächlich
schlenderte sie auf uns zu. Langsam nahm sie ihre Sonnenbrille ab . . .
E pilog
Das
Verschwinden von Vroni wurde logischerweise öffentlich bekannt, es kam zu einer
Regierungskrise, und die christlich-liberale Koalition brach nach einem
Misstrauensvotum kläglich auseinander.
Was
der Schweizer Soziologe Stückli richtig voraussah, trat ein: Die
Bundestagswahlen mussten ein halbes Jahr vorverlegt werden. Meine Frau wird nun
ebenfalls strafrechtlich verfolgt. Ich hoffe, ihr Delikt wird nach zehn Jahren
verjähren, und sie darf dann gemeinsam mit Gaby und Danny vorbehaltlos in
Deutschland einreisen. Ob unsere Kinder schuldfähig sind, konnte ich bisher
nicht in Erfahrung bringen. Ich war unterdessen öfters in Europa, um unter meinem
jetzigen Namen neue Geschäftsbeziehungen aufzubauen. Durch Davids gefälschte
Pässe bin ich, genau wie Veronika, britischer Staatsbürger mit deutscher
Abstammung geworden und fühle mich verhältnismäßig sicher vor den deutschen
Behörden, zumal ich zusätzlich mein Äußeres verändern ließ. Trotzdem mache ich
gegenwärtig noch keine Besuche in meine alte Heimat. Ich riet auch Vroni, ich
meine Vera, davon ab nach Deutschland zu fliegen.
Deshalb
kommen uns meine Schwiegereltern jedes Jahr zu Weihnachten besuchen und bringen
unaufhörlich Videoaufzeichnungen mit. Sämtliche im Deutschen Fernsehen
ausgestrahlten Berichte und Reportagen über den Entführungsfall Wegner und der
Auflösung der amtierenden Bundesregierung bekommen wir auf Kassette von ihnen -
hübsch in Geschenkpapier eingeschlagen und mit rotem Schleifchen umbunden - auf
die festlichen Weihnachtsteller gelegt. Übrigens sagten beide unter Eid aus,
dass sie, von unserer Absicht den Staat Deutschland zu erpressen, nichts
wussten. Sie waren ja tatsächlich in nichts eingeweiht. Nach dieser
eidesstattlichen Versicherung ließen Behörden und Medien die alten Herrschaften
weitgehendst in Ruhe.
Im
Anschluss an eine aufsehenerregende Pressekonferenz in Berlin im vorletzten
Sommer, hatte Oberstaatsanwalt Dr. Schmid-Mertens seinen Abschied zu nehmen.
„Die deutsche Justiz kann sich nicht mit den selbstgefälligen und
unqualifizierten Äußerungen dieses leitenden Beamten ihrer Behörde
identifizieren“, wie es in einer offiziellen Verlautbarung hieß. In Wahrheit
musste er ebenso wie die ehemalige Regierung, die volle Verantwortung für die
gesamte Ermittlungsarbeit tragen.
Manchmal
fühle ich mich geneigt meinem Nachbar, dem pensionierten Reeder Nicos Psorakis
eine dieser Videokassetten zu zeigen. Trotz der Unmengen Flaschen griechischen
Weins, die wir inzwischen gemeinsam in manch fröhlicher Runde geleert haben,
weiß er nicht, wer ich wirklich bin. Aber um die Gefahr eines tödlichen
Lachkrampfes bei ihm auszuschließen, verzichte ich lieber auf dieses
gefährliche Vergnügen.
Kalle,
mein alter Freund und Spielgefährte aus den Kindertagen, kommt uns von Zeit zu
Zeit besuchen. Beim letzten Mal überkam mich eine Idee. Wir schwammen im Pool,
und ich beichtete ihm, dass ich über die ergaunerten fünfzig Millionen
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