Das Salz der Mörder
verstellten die
Wände. Überall rankten Grünpflanzen aus irgendwelchen Töpfen. Die
absonderlichen Lichtverhältnisse glichen denen im Erdgeschoss. In den zweiten
und dritten Etagen befanden sich überwiegend Einzelzimmer mit Bad und WC, die
einem herkömmlichen Kleinstadthotel sehr ähnlich waren.
Als
die junge Frau zusammen mit dem fremden Mann und dessen Tochter im ersten Stock
des Weißen Hauses eintrafen, war niemand da, um sie in Empfang zu nehmen.
3. Die Bürgermeisterin
„Aber
bitte, setzen Sie sich doch. Möchten Sie eine Tasse Tee oder Kaffee? Einen
Cognac vielleicht? Sie wirken ein wenig nervös, junger Mann.“
Mit
diesen Worten lernte ich Frau Dr. phil. Margot S. Hansen kennen, die sich mir
als Bürgermeisterin dieses Ortes vorstellte. Das Namensschild auf ihrem Tisch
war ja auch kaum zu übersehen. Ihr Äußeres war sehr gepflegt und die
Gesichtszüge, speziell ihre Augen, zeugten von einer überaus hohen Intelligenz.
Vermutlich war sie Mitte fünfzig. Das Büro wirkt ungewöhnlich weiträumig und
ich fühlte mich vor ihrem schweren Schreibtisch aus unzerbrechlichem Eichenholz
wie ein bedauernswerter Bittsteller. Links vor mir stand ein Computer. Auf dem
Drucker lag ein auseinander gefallener Stapel Blätter. Unter einem aufgeschlagenen
Buch funkelte ein goldener Füllfederhalter in allen möglichen Farben auf mich
ein. Rechts türmten sich Publikationen verschiedener wissenschaftlicher Verlage
übereinander. Dunkelbraune Gardinen versteckten die Fenster, so dass auch hier
wenig Tageslicht eindrang. Eine Unmenge Zierrat mit indischer Symbolik
verschnörkelte den ganzen Raum. Ein überproportionaler Buddha aus massiver
Bronze thronte hinter mir auf einem kleinen gedrechselten Holzgestell.
Fortwährend spürte ich seinen toten Blick im Nacken.
Gaby
saß auf meinem Schoß und wurde von Minute zu Minute unruhiger. Ich wusste, sie
hatte noch nicht ausgeschlafen, und diese düstere, fremde, ja beinahe
unheimliche Atmosphäre wirkte beängstigend auf sie.
„Ich
bitte um Entschuldigung, dass Sie auf mich warten mussten. Es ist Sonntag. Und
für gewöhnlich sind an solchen Tagen unsere Amtsstuben nicht geöffnet.“
„Ja,
das kann ich mir gut vorstellen. Und für gewöhnlich zerplatzen mir sonntags
auch keine vier Reifen, und die sogar gleichzeitig. Sehen Sie, liebe Frau, ich
bin nicht nervös, nur etwas übermüdet nach der langen Fahrt - natürlich. Gewiss
hat man Sie über mein Problem, über die widrigen Umstände, die mich in Ihr
bezauberndes Dorf geführt haben und seit geraumer Zeit festhalten, bereits unterrichtet.
Doch bitte glauben Sie mir: Ich suche bloß eine Werkstatt, die mir meine Räder
oder Reifen wechselt. Ich werde niemanden anzeigen wegen des Vorfalles. Das
liegt mir fern. Was nützt es, wenn ich die Kinder verklage, die mir diesen
unerwarteten Aufenthalt und die Freude Ihrer Bekanntschaft beschert haben. Wie
dem auch sei - Sie sollten besser auf Ihre Sprösslinge Acht geben, um diesen
teuren Unfug zu unterbinden. Was mich betrifft: Ich möchte auf dem schnellsten
Weg mit meiner Tochter zu unserem Hotel. Ich weiß gar nicht, warum man Sie
deshalb hierher bemüht hat. Jedenfalls wäre ich Ihnen sehr dankbar, wenn Sie
mir ein Taxi bestellen könnten. Dass mit meinem Wagen werde ich dann von Sankt
Peter-Ording aus erledigen. Vielen Dank, dass Sie mir Ihre kostbare Freizeit
geopfert haben. Auf Wiedersehen.“
Mittlerweile
war es sieben Uhr dreißig. Ich stand auf, nahm Gaby an die Hand und war im
Begriff das Büro zu verlassen. Beim Hinausgehen begleitete mich die
Bürgermeisterin bis zur Tür und sagte, indem sie mir ihre Hand zum Abschied
reichte: „Ich wünsche Ihnen und Ihrer Familie einen angenehmen Aufenthalt in
Schleswig-Holstein und einen erholsamen Urlaub in unserem schönen Bundesland.
Ich hörte, Sie kommen aus Bayern?“
4. Bei Maria
Für
Frau Hansen schien sich damit die Angelegenheit erledigt zu haben. Maria saß
noch im Empfangsraum. Ich berichtete ihr kurz von dem Gespräch mit der
Bürgermeisterin, und dass wir jetzt auf ein Taxi warten würden.
„Das
kann allerdings eine Weile dauern“, meinte die junge Frau. „Die Kleine wird
doch sicher Hunger haben, und Sie sehen auch schon ganz abgemagert aus“,
lächelte sie und lud uns zum Frühstück in ihre Wohnung ein.
Ohne
lange zu überlegen, erwiderte ich: „Ja, Sie haben recht. Danke für die nette
Einladung, die nehmen wir mit Freuden an. Stimmt’s, Gaby?“ Nachdem Maria Frau
Hansen über unseren
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