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Das Salz der Mörder

Das Salz der Mörder

Titel: Das Salz der Mörder Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Gerhard Otto Stock
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freundliche Barmann gab uns die
Antwort: Es waren Iraker! Doch niemand vermochte zu sagen, was die in Kuwait zu
suchen hatten. Was wollten die hier?
    Die
Fahrt ins Ungewisse dauerte mehr als zwei Stunden. Unsere schmerzenden Glieder
und die drückende Hitze waren kaum noch auszuhalten. Immer öfter holperten wir
über unwegsames Gelände. Schließlich stoppte das Fahrzeug, und dem Geräusch
nach schloss sich hinter uns ein schweres Eisentor. Wir wurden vom Laster
gezerrt. Man nahm uns Gürtel, Schuhe, Krawatten und Uhren ab, entleerte unsere
Hosentaschen und sperrte uns drei gemeinsam in eine Zelle. Erst als Steven mit
seinen Zähnen meine Augenbinde herunterriss und ich das Gleiche bei ihm tat,
sahen wir, wo wir uns befanden: in einem Kerker. Die Wände bestanden aus
aufeinander geschichteten Feldsteinen, die provisorisch mit Lehm verschmiert
waren. Wir lagen auf blankem Felsboden. Die Zelle war etwa drei Quadratmeter
groß, also zwei Meter lang und anderthalb Meter breit. Unter der Zellendecke
hatte man einige kleine Fugen zwischen den Gesteinsbrocken frei gelassen, durch
die sich spärliches Licht zwängte. Diese dürftige Beleuchtung reichte aus, um
erkennen zu können, dass sich hier auch Kakerlaken und Riesenameisen ein
Stelldichein gaben. Die Luft stand still und Schweiß strömte unaufhörlich aus
unseren Poren. Bewegen konnten wir uns nur unter Schmerzen, da unsere Arme zu
fest zusammengebundenen waren. Ein entsetzlicher Gestank verpestete die Zelle.
    Die
Kerkertür sprang auf und jemand kippte einen Kanister Altöl auf den Boden.
Jetzt war jede Bewegung unmöglich. Wir rutschten in der schmierigen Masse hin
und her und fanden nirgendwo Halt. Unsere Sachen waren durchtränkt von Schweiß
und Öl. Nun stank es noch unerträglicher.
    Verhalten
begann der Barkeeper zu wimmern und zu jammern, bis ihn die Tränen übermannten.
Dann fing er an auf arabisch zu fluchen und zu schreien. Blitzschnell flog die
Tür auf. Zwei Iraker traten in den Eingang. Im selben Moment schossen sie fast
gleichzeitig dem wehrlosen Mann aus kürzester Entfernung zwei Kugeln in den
Kopf. Er rutschte in sich zusammen und blieb mit zerfetztem Hinterkopf neben
uns liegen. Seine Lippen bewegten sich nicht mehr. Der Mund stand offen. Die
weißen Zähne starrten tot gegen die Zellendecke. Aus der Stirn und dem linken
Auge strömte stoßweise sein warmes Blut heraus und überflutete das verzerrte
Gesicht. Vom Hals floss es in den Kragen, an dem noch die schwarze Seidenfliege
baumelte. Das weiße Oberhemd färbte sich allmählich dunkelrot. Die graue
Gehirnmasse vermischte sich mit dem schwarzen, glitschigen Öl. Dann wurde die
Tür zugeschlagen und lautstark verriegelt. Zum ersten Mal in meinem Leben
verspürte ich Todesangst. Mein Herz pochte wild gegen die Schläfen.
Schockwellen pulsierten durch meinen ganzen Körper, von den Beinen durch den
Magen in den Hals und stauten sich in der Kehle, die vollkommen ausgetrocknet
war. Ich zitterte und war dem Kotzen nahe. Was Steven fühlte, wusste ich nicht.
Wir sahen uns an, aber sprachen nicht. Die Nacht brach herein, es wurde kühler.
Wir versuchten uns auszustrecken, um eventuell schlafen zu können. Dazu mussten
wir den Körper des Barkeepers so mit unseren Füßen schieben und drehen, dass wir
unsere Köpfe auf seinen leblosen Oberkörper und Bauch legen konnten. Was uns
letztendlich sogar gelang. Wir waren geistig und körperlich am Ende, wir
schliefen augenblicklich ein.
    Der
nächste Morgen brach an. Die Zellentür öffnete sich. Zwei Kerle schleiften
Steven heraus. Nun war ich allein mit dem Toten. Durch die Spalten an der Decke
drang das erste frühe Licht. Ich betrachtete den Barmann neben mir. Mir wurde
schlecht. Kakerlaken krabbelten emsig am Körper des Mannes auf und ab, einige
schwammen auf dem Ölfilm am Boden.
    Die
Ameisen schienen das alte Öl nicht vertragen zu haben, ich sah keine mehr. Jäh
zerriss ein schmerzerfüllter Schrei die morgendliche Stille. Wenige Minuten
danach brachten die Männer Steven zurück. Sie warfen ihn auf mich. Er heulte vor
Schmerzen. Nachdem er sich etwas beruhigt hatte, sagte er schwer atmend: „Die
Fesseln bin ich zwar los, doch vorher haben mir die Schweine mein rechtes
Schienbein gebrochen. Ich glaube das Wadenbein ist auch angeknackst.“ Bevor er
mich von dem Strick an meinen Händen befreien konnte, wurde er ohnmächtig.
    Wann
war ich dran? Jetzt? Nach geraumer Zeit hörte ich erneut Schritte näher kommen.
Steven war noch immer bewusstlos.

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