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Das Salz der Mörder

Das Salz der Mörder

Titel: Das Salz der Mörder Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Gerhard Otto Stock
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von Vroni geschieden, „und Gaby und ich wollen zu unserer
Familie zurück. Was meinst du, wird mit uns passieren, wenn du das Kind geboren
hast? Hast du die letzte Nacht vergessen? Ich nicht, und ich weiß auch nicht,
was in dem Gehirn deiner Frau Hansen vor sich geht.“ All das flüsterte ich ihr
ins Ohr. Die Mikrofone der Hansen sollten das nicht unbedingt mit aufzeichnen.
    „Lass
uns in mein Haus ziehen und wir warten ab. Es wird alles gut werden, glaub mir,
denn ich liebe dich. Heute hast du Geburtstag. Du darfst dir was wünschen.
Sprich mit Frau Hansen. Sie hat ein weiches Herz.“ Und Maria kuschelte sich an
mich.
    Sie
wusste nicht, was sie da sagte. Hatte diese Frau sie tatsächlich so verblenden
können? Ich sah auf meine Uhr, es war schon zehn.
    Wir
lagen noch im Bett, als ich erneut aufschreckte. Aus den versteckten
Zimmerlautsprechern erklang - und ich erkannte sofort die chaotischen ersten 16
Takte mit den berühmten Doppelquinten - die Neunte Sinfonie in d-Moll, Opus
125, von Ludwig van Beethoven, mit Schillers verfluchter Ode „An die Freude“.

46. Ankunft in Kotoka
     
    „Bye,
bye, Miss Rita. Thank you very much for your excellent service. It was a
pleasure to fly so high with your marvellous airline. I hope I will see you
again, sometimes, somewhere. Bye, bye, ,Lovely Rita’.“
    „Mach
mir nicht die Stewardessen verrückt. Die Leute zeigen schon auf uns. Ist ja richtig
peinlich, Freddy.“
    „Ich
bin happy, Junge, und aufgeregt. Obendrein soll ich mich mit der englischen
Sprache beschäftigen, hast du gesagt, oder? Was ist denn los mit dir? Du bist
doch sonst auch kein Kostverächter.“
    Schrittweise
rückten wir vorwärts, dem Ausgang entgegen. Nach dem achtstündigen Flug wollte
natürlich jeder so schnell wie möglich die Maschine verlassen. An der Tür der
DC 10 schlug mir eine unerträgliche Wärme entgegen. Die Turbinen rotierten
langsam aus. Demnach kam von dort die Hitze, dachte ich. Mit wackligen Knien
ging ich die Gangway hinunter. Steven versuchte mit seinen Krücken zurecht zu
kommen. „Lovely Rita“ konnte ihn gerade noch rechtzeitig an den Armen packen,
sonst wäre er die schmalen Metallstufen der Gangway heruntergestürzt. Nachdem
er sich von dem kurzen Schock erholt hatte, spuckte er wieder große Töne:
„Freddy, du könntest eventuell deinen dicken Mantel ausziehen. Wir sind jetzt
fast am Äquator. Du solltest dich an die hiesigen Temperaturen gewöhnen, wenn
du länger bleiben willst“, lachte mir Steven von hinten lautstark in die Ohren.
Nun waren wir also in Ghana und etliche Meter von den Flugzeugturbinen
entfernt, doch die Hitze ließ nicht nach. Es war abends, sechs Uhr dreißig
Ortszeit in Accra, und bereits dunkel. Ich las die grelle Leuchtschrift oben
auf dem Flughafengebäude: Kotoka International Airport. Ich zog meinen Mantel
aus und warf ihn über das Handgepäck. Schweißperlen verbanden sich zu
Schweißströmen und durchtränkten Hemd und Hose. Überall standen Soldaten mit Stahlhelmen
und Schnellfeuergewehren herum: an der Maschine, auf dem Flugfeld, am Eingang
zum Hauptgebäude, überall. Klitschnass erreichten wir nach den
nervenaufreibenden Passformalitäten die Abfertigungshalle. Hier empfing uns das
reinste Chaos. Menschen über Menschen. Von wo die herkamen, war mir unklar. Als
wir nach längerem Warten endlich unsere Koffer und Taschen auf den
Förderbändern entdeckten und einsammelten, stürzten zwei Schwarze auf uns zu.
Jeder schnappte sich ein paar unserer Gepäckstücke und wollte in dem dichten
Gedränge verschwinden. Steven, der den Umgang mit den Einheimischen der dritten
Welt und ihre eigenartigen Gepflogenheiten besser kannte als ich, ließ seine
Krücken fallen, packte die beiden Typen blitzschnell an ihren Klamotten und hielt
sie fest. Ich hörte Worte wie: fuck you, leave me alone, bastards, son of a
bitch, und so weiter und so fort. Inzwischen besorgte ich einen Gepäckkarren.
Unter viel Geschrei und Gezeter bekamen wir unsere Sachen zurück. Wir
verstauten das ganze Zeug auf dem klapprigen Roller und stellten uns an einen
der zehn Abfertigungsschalter, an denen jeweils ein Zollbeamter mit
erstaunlicher Bedächtigkeit alles durchwühlte, was er in seine Hände bekam. Vor
uns, hinter uns, neben uns, überall wurde geschoben und gedrängelt, geflucht
und geschimpft. Zu guter Letzt kamen wir an die Reihe. Der schwarze Zöllner in
seiner blauen Uniform sah abwechselnd zu Steven und zu mir. Urplötzlich brach
es aus Steven heraus und

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