Das Salz im See 1: Ein teuflischer Plan (German Edition)
herüberkommen. Irgendeine Lösung muß es geben!“ Aamir war erkennbar bemüht, den Dialog nicht erstarren zu lassen. Da saßen sie nun, stierten vor sich hin, bemüht, die Lösung zu finden, deren Unerreichbarkeit sie längst ahnten.
Igor gab als erster auf: „Es hat keinen Zweck. Ich war bis zu meiner Verschleppung noch nie hier, kenne also niemanden. Selbst in Rußland wäre ich nicht sicher, da werde ich sicherlich längst gesucht. Auch für die weiß ich zuviel. Schließlich ist es dasselbe Netzwerk! Das war‘s dann wohl.“
Sander war sichtlich erschrocken, als er den Russen so sprechen hörte. Hilfesuchend sah er Nasim an. Der zuckte ratlos die Schultern. Aamir nickte ihm aufmunternd zu, doch der Schwager wußte keinen Rat: „Egal, wen ich in die engere Wahl ziehe, immer kommen Fragezeichen auf. Wenn es darum ginge, sich Geld oder ein Auto zu leihen, wäre das überhaupt kein Problem. Da können die ‚Nein‘ sagen und man geht zum nächsten. Ohne jedes Risiko! Aber in diesem Falle kann jeder Kontakt ein Todesurteil sein! Die brauchen nur unbedarft mit Dritten, die euch nicht wohl gesonnen sind, darüber zu reden. Angesichts dieses Risikos könnte ich für keinen meiner Bekannten die Hand ins Feuer legen.“ Nasim blickte bekümmert auf seine vom Hammelfett glänzenden Hände. Er fühlte sich bei diesem, einem Offenbarungseid gleichkommenden Statement sichtlich unwohl.
Sander bemerkte mit Unbehagen, wie sich die erwartungsvollen Blicke auf ihn konzentrierten. Die ganze Zeit hatte er sein Gehirn zermartert, ohne überzeugendes Resultat. Stets drehten sich seine Gedanken um drei, vielleicht vier Personen, die in einem Fluchtszenario eine Rolle spielen könnten. Immer wieder tauchte bei diesen Überlegungen ein und dasselbe Gesicht auf. Aber war das eine Person uneingeschränkten Vertrauens? Kannte er sie gut genug? Sicherlich nicht. Also verließ er sich mehr auf sein Gefühl, als auf seinen Verstand. Für sich selbst mochte er dieses Risiko in Kauf nehmen, aber für Igor? „Na los, sag‘, wen hast du im Visier? Du hast doch jemanden in der engeren Auswahl! Ich sehe es dir an.“ Igors Blick war erwartungsvoll und fordernd zugleich. Er drängelte ungeduldig. „Horst! Selbst wenn es schief geht – wir hätten es wenigstens versucht!“
Sander blickte von einem zum anderen. Er sah ihren Gesichtern an, daß die beiden Pakistaner mit ihnen litten, nach einer Lösung fieberten. Diesen beiden begegnet zu sein, war eine Gnade Gottes, egal, welchen Gottes. Oder war es gar ein Wink? „Ich habe insgesamt vier Personen, alle Pakistaner, in die engere Auswahl genommen. Zwei von ihnen haben mit mir im selben Institut promoviert. Das Problem ist, der eine lebt in Deutschland, der andere in Singapur. Ob sie uns helfen können und wie sie das bewerkstelligen sollen, darüber habe ich noch nicht nachgedacht. Aber eines habe ich: uneingeschränktes Vertrauen! Zu beiden! Dann wäre da der Dritte, ein angesehener, international beachteter Architekt, hat in Großbritannien studiert, lebt in Lahore. Auch zu ihm hätte ich volles Vertrauen, aber er befindet sich bereits im Fokus der Islamisten. Wahrscheinlich würde ich ihn eher gefährden, als daß er uns helfen könnte. Bleibt der Vierte. Ihn kenne ich von allen am wenigsten. Dennoch sagt mein Gefühl: Der ist es! Ich habe ihn in Bonn vor etlichen Jahren anläßlich eines Botschaftsempfangs kennengelernt. Er war General der pakistanischen Armee, spielte zeitweise eine führende Rolle im ISI, ist inzwischen pensioniert. Er war Dozent an der Militärakademie und wurde in diesem Zusammenhang etliche Male ins Ausland delegiert. So hospitierte er unter anderem an der Bundeswehr-Führungsakademie in Hamburg-Blankenese. Später war er in Bonn Militärattaché. Wir haben uns in Deutschland häufig gegenseitig besucht, viel miteinander diskutiert und politisiert. Ich habe auf diese Weise seine Einstellung kennengelernt. Er könnte unser Mann sein!“
Igor war erstaunt. „Was macht dich so sicher?“
„Er trank Cognac, wenn wir bis in die Nacht diskutierten.“
Nasim und Aamir lachten. Es war ein befreiendes Lachen, das erste, seitdem sie im Camp angekommen waren. „Ja, dann nichts wie hin! Wo lebt er jetzt?“ Nasim hatte sein Temperament zurückgewonnen.
„In Islamabad.“
„Wie nehmen wir Kontakt zu ihm auf?“
„Das ist das Problem. Ich weiß nicht, wo er wohnt.“ Betretenes Schweigen, plötzlich herrschte Grabesstille in der Halle.
„Und jetzt?“ Igor
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