Das Scarlatti-Erbe - Ludlum, R: Scarlatti-Erbe
recht schlecht. Er hatte sich angewöhnt, manchmal für einige Tage zu verschwinden. Und einmal, so hieß es, wäre er fast zwei Wochen unauffindbar gewesen und hätte seine junge Frau in einem Zustand peinlichen Grolls allein gelassen.
Aber selbst auf so extreme Klatschnachrichten ging man nicht näher ein, denn Ulster Stewart hatte als Junggeselle schließlich das gleiche getan, und Janet Saxon hatte sich immerhin Manhattans begehrtesten Junggesellen geangelt. Sollte sie sich ruhig beklagen.
Tausend Mädchen wären mit dem Ring und der Zeremonie zufrieden gewesen und hätten ihn dann tun lassen, wozu er Lust verspürte. All die Millionen, und manche sagten sogar, eine Familie mit einem Titel obendrein ... Niemand hatte Mitleid mit Janet Saxon.
Und dann nahmen die Gerüchte eine andere Wendung.
Die Scarletts trennten sich von der Londoner Gesellschaft und unternahmen eine Reise durch den Kontinent, die man nur als verrückt und planlos bezeichnen konnte. Von den gefrorenen Seen Skandinaviens zu den warmen Küsten des Mittelmeers. Von den immer noch kalten Straßen Berlins zum heißen Pflaster Madrids. Von den Berghängen Bayerns in die schmutzigen Ghettos von Kairo. Von Paris im Sommer auf die schottischen Inseln im Herbst. Man wußte nie, wo Ulster Scarlett und seine Frau als nächstes auftauchen würden. Es ergab einfach keinen Sinn. Ihre Zielorte ließen keinerlei Logik erkennen.
Doch mehr als jeder andere war Jefferson Cartwright beunruhigt. Er wußte nicht, was er tun sollte, und beschloß daher, nichts zu tun und sorgfältig formulierte Mitteilungen an Chancellor Drew Scarlett zu senden.
Denn die Waterman Trust-Bank schickte Tausende und Abertausende von Dollars in Bankwechseln an jede vorstellbare und manche unvorstellbare Börse in Europa. Jede Anforderung, die von Ulster Scarlett kam, war exakt formuliert und enthielt eindeutige Instruktionen. Seine Bitte um Vertrauen und Schweigen war eindringlich. Sollte dieses Vertrauen gebrochen werden, so würde die Strafe im sofortigen Abzug seiner Interessen von Waterman bestehen. Dann
müßte die Bank auf ein Drittel der Scarlett-Treuhandfonds verzichten, auf die Hälfte des Scarlatti-Erbes.
Es stand außer Zweifel: Ulster Scarlett hatte aus seinen Sitzungen mit Cartwright Nutzen gezogen. Er wußte genau, wie seine finanziellen Forderungen zu bewerkstelligen waren, und erteilte seine Instruktionen in der Sprache des Bankgewerbes. Trotzdem fühlte sich Jefferson Cartwright unsicher. Man würde ihn vielleicht später kritisieren. Doch noch waren zwei Drittel der Treuhandfonds und die zweite Hälfte des Erbes übrig. Er löste sein unlösbares Dilemma, indem er folgenden Brief — und später Variationen — an Ulster Scarletts Bruder schickte.
Lieber Chancellor, nur um Sie auf dem laufenden zu halten - wie wir es während der Sitzungen Ihres Bruders hier bei Waterman mit so viel Erfolg eingeführt haben: Ulster überweist beträchtliche Summen auf europäische Banken — vermutlich, um damit die herrlichsten Flitterwochen zu finanzieren, die es in der Geschichte der Ehe je gegeben hat. Nichts ist ihm für seine schöne Frau zu teuer. Es wird Sie freuen, daß seine Korrespondenz höchst geschäftsmäßig ist.
Chancellor Drew erhielt eine Anzahl solcher Briefe und lächelte nachsichtig über die Hingabe, die sein offensichtlich reformierter jüngerer Bruder seiner Frau gegenüber empfinden mußte. Und sich dabei vorzustellen, daß er wie ein Geschäftsmann korrespondierte — was für ein Fortschritt!
Jefferson Cartwright erwähnte nicht, daß die Waterman Trust-Bank auch unzählige Rechnungen erhielt, die Ulster in Hotels, Bahnhöfen, Geschäften und Leihinstituten in ganz Europa hinterlassen hatte. Was Cartwright beunruhigte, war der Umstand, daß ihn dies erneut zu der Flexibilität zwang, die er während des Zwischenfalls mit dem Luftschiff angewandt hatte.
Es war unvorstellbar, und doch traf es zu — Ulster Scarletts Ausgaben begannen das Einkommen aus den Treuhandfonds zu übersteigen. Im Lauf einiger Monate — wenn man die Rechnungen zu den Überweisungen hinzufügte — hatte Ulster Stewart Scarlett die Achthunderttausend-Dollar-Marke erreicht.
Unvorstellbar!
Und doch war es so.
Und die Waterman-Bank würde ein Drittel der Scarlatti-Interessen verlieren, wenn sie die Information preisgab.
Im August schrieb Ulster Stewart Scarlett seiner Mutter und seinem Bruder, daß Janet schwanger wäre. Sie würden mindestens noch drei weitere Monate in
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